Was ist Demokratie
sich nicht nur, weil am Ende des Ãbergangs überall â mit Schwierigkeiten in Rumänien und Bulgarien â demokratische Regime und individuelle Freiheitsrechte standen; nicht nur, weil ihr Verlauf im Zeichen demokratischer Praxis und Mobilisierung stand. Sie hatten sich auch auf teils bemerkenswert klare Weise das Ziel der Demokratie auf die Fahnen geschrieben; besonders eigenständig und in langer Vorbereitung seit den 1970er Jahrenin Polen, wo Intellektuelle wie Adam Michnik die Vision einer neuen «Zivilgesellschaft» für die erstrebte Demokratie entwarfen. In der DDR hieÃen die Oppositionsgruppen «Demokratie Jetzt» oder «Demokratischer Aufbruch», und auf den StraÃen Leipzigs wurde nach Volkssouveränität gerufen: «Wir sind das Volk!»
So bleibt die demokratische Revolution auch im Ãbergang in das 21. Jahrhundert auf der Tagesordnung. Nicht überall ist sie erfolgreich. So kann man die chinesischen Proteste, die im Juni 1989 auf dem Pekinger Tiananmen-Platz niedergewalzt wurden, als eine erstickte demokratische Revolution bezeichnen, ebenso wie die Massenproteste im Iran nach der Präsidentschaftswahl im Juni 2009. In der Ukraine war 2004 die «Orange Revolution» halbwegs erfolgreich. In Nordafrika und im Mittleren Osten erschütterte 2011 das Verlangen nach Freiheit und Demokratie autoritäre Regime, auch wenn der demokratische Ausgang dieser Revolutionen, wie in Ãgypten, noch offen ist.
IV Ordnungen
Demokratie schafft Institutionen. Damit sind nicht nur Parlamente und Parteien gemeint, nicht nur Verfahren wie die politischen Wahlen oder ein Organisationsschema wie die Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Regierung und Justiz. In einem viel breiteren Sinne geht es um Regelhaftigkeiten und um Räume. Grundlegende Freiheitsrechte sollen den Schutz des Individuums gewährleisten und ihm Raum zur möglichst freien Gestaltung des eigenen Lebens geben. Was in Gesetzen, vielleicht sogar in einer Verfassung verankert ist, kann nicht nach Belieben geändert werden und hat, nachprüfbar, für alle gleichermaÃen zu gelten. Aber lässt sich Demokratie durch ein solches Regelwerk allein konstituieren, oder ist sie nur mit dem Engagement der Bürgerinnen und Bürger denkbar, zu dem dennoch niemand gezwungen werden soll? Den Ordnungen der Demokratie, die fast alle auf eine Geschichte von mindestens zwei- bis dreihundert Jahren zurückblicken, haftet mittlerweile etwas fast Zeitloses an. Die Erfindungen des 17. und 18. Jahrhunderts haben sich als erstaunlich langlebig erwiesen. Zugleich jedoch haben sie sich pausenlos gewandelt und verändern sich noch heute weiter.
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1 Parlamente:
Die Begründung der repräsentativen Demokratie
Zwar ist die moderne Demokratie mit ihrer etwa zweihundertjährigen Geschichte noch relativ jung. Aber die Erfindung von Parlamenten reicht viel weiter zurück: in England bis in das Mittelalter, als die normannischen Könige führende Adlige und Geistliche, zugleich die Stützen der feudalen Gesellschaftsordnung, zu versammeln begannen. Seit dem 13. Jahrhundert kam dafür der Begriff des «Parlaments» in Gebrauch, dessen lateinischer Wortstamm auf das Reden und Diskutieren in einer solchen Versammlung verweist. Von hier führt, trotz vieler Umbrüche, eine erstaunlich kontinuierliche Linie zum britischen Parlament von heute mit seinem Unterhaus und Oberhaus. Auch auf dem Kontinentbildeten sich Vertretungen der «Stände» heraus, in denen der Adel, der Klerus und der bürgerliche Dritte Stand vor allem der Städte ihre Ansprüche gegenüber der Monarchie artikulierten: gegenüber den regierenden Fürsten, die ihre Herrschaft über ein Territorium seit dem späten Mittelalter ausbauten; in Mitteleuropa auch gegenüber dem Kaiser im Heiligen Römischen Reich: Das war der «Reichstag», der sich nach dem DreiÃigjährigen Krieg verstetigte. Als Versammlung der obersten Fürsten und der unabhängigen Reichsstädte tagte er bis 1806 in Regensburg. Reichstag hieà dann auch das Parlament des neuen deutschen Nationalstaates von 1871, und seit dem Umzug des Bundestages nach Berlin in das 1894 errichtete, neu überkuppelte Gebäude in der Nähe des Brandenburger Tores wird mit diesem Begriff â inoffiziell und umstritten â auch auf das demokratische Parlament der Bundesrepublik verwiesen.
Die
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