Was ist Gott?: Das Buch der 24 Philosophen (German Edition)
bedeutet Einschließung. Was nicht eingeschlossen wird, steht folglich jenseits des Seins. Notwendigkeit kommt ihm zu, da Mangel es nicht erreicht, da es nicht eingeschlossen, sondern von unendlicher Möglichkeit ist. Sein Übersein wird dabei nicht zerkrümelt, weil es nie von sich weggeht, ohne zu sich zurückzukehren. Es ist das Ganze: keine Bedürftigkeit, sondern Überströmen.
Haec definitio formalis est, sed relata.
Esse omne clausionem dicit. Superest igitur qui non clauditur. Et necesse quia malum non habet quia non clauditur, sed infinita possibilitate. Nec sic distrahitur suum superesse quin redeat a se in se, et non totum indigenter, sed exuberanter.
Sein ist nicht der höchste Begriff. Gott wird unterbestimmt, wenn wir ihn ‹Sein› oder auch ‹das subsistierende Sein› nennen. Besser wäre schon, dachte Cusanus, wenn wir ihn mit Satz X ‹unerschöpftes Können› nennen. Was ist, ist etwas und daher begrenzt. Ihm steht anderes gegenüber, das es nicht ist. Zum Beispiel steht im gewöhnlichen Theismus Gott die Welt gegenüber. Diese Vorstellung verliert angesichts der unendlichen Kugel jeden Sinn. Alles ist innerhalb ihrer. Das einzelne Weltding ist dem Zufall ausgesetzt, nicht-notwendig, es braucht andere Wesen. All dies trifft bei der unendlichen Kugel nicht zu.
Gott ist jenseits des Seins. Die Formel ist platonisch.[ 38 ] Nicht-Philosophen halten sie bloß für eine überstiegene rhetorische Figur, die Gottes Transzendenz herausheben soll. Aber es handelt sich um folgenden philosophischen Gedanken: ‹Seiend› wie ‹Nicht-Seiend› sind einheitliche Bestimmungen, also ist ‹Einheit› eine umfassendere Bestimmung als ‹seiend›. ‹Sein› und ‹seiend› sind Strukturelemente der Weltwirklichkeit, wie ‹Nicht-sein› und ‹nicht-seiend›. Daher hieß es im Kommentar zu VI, das Nichts sei Grund oder das Zugrundeliegende der Substanz. Beiden vorgeordnet ist das Eine, die unendliche Kugel, die alle Gegensätze in sich enthält. Wenn sie aus sich herausgeht, ist sie immer schon in sich zurückgekehrt. Sie hat kein zerstreutes Dasein wie wir.
Der Kommentar erklärt, in welchem Sinn die unendliche Einheit ein Über-sein, superesse , sein muss: Sie ist allumfassend, unbegrenzt. Sie ist notwendig, weil ihrer unendlichen Wirkmacht nichts entgegensteht, das ihr ein Schicksal zufügen könnte. Sie ist nicht auseinandergezogen, nicht in die Vielheit hinein zerstreut, sondern in sich konzentriert. Eine neue Nuance bei der Beschreibung des Lebensganzen: Es ist in sich konzentriert; es hat die Kreisbewegung von sich zu sich immer schon vollzogen. Es vollzieht sie nicht aus Bedürftigkeit; es gewinnt durch sie nichts hinzu; sondern es tätigt sie ziellos als die ihm eigene Art von Einheit, d.h. von Leben.
XII. Gott ist das, dessen Willen seiner gottschaffenden Macht und Weisheit gleichkommt.
DEVS EST CVIVS VOLVNTAS DEIFICAE ET POTENTIAE ET SAPIENTIAE ADAEQVATVR.
Wollen, Wissen und Können sind Handlungsprinzipien bei Geschöpfen. Sie sind untereinander nicht gleich, denn Wollen ist gottförmiger als Wissen und Können. Die Natur hat mein Können begrenzt (coartavit), die Ausbildung mein Wissen. Das Wollen aber bleibt frei zu immerwährender Resonanz (Erweiterung).
Voluntas, scire et posse principia sunt actionis in creaturis. Non aequalia sunt quia voluntas est deiformior [ 39 ] quam scire et posse. Mihi quidem natura coarctavit posse, correptio vero scire, sed remanet voluntas non coacta usque ad clangationem (elongationem) perpetuam.
Bei uns Menschen fallen diese drei Elemente auseinander: das Können, das Wollen, das Wissen. Wir wollen nicht alles, was wir wissen; wir können nicht alles, was wir wollen. Die Alleinheit ist von dieser Trennung nicht betroffen. Ihr Wille kommt ihrem Können und Wissen gleich. Das Thema ist der Kontrast zwischen kreatürlicher und göttlich-unendlicher Aktivität.
Merkwürdig ist das Wort: deifica voluntas , gottschaffender Wille.[ 40 ] Es ist der Wille, mit dem die Alleinheit sich selbst bejaht. Hierbei sind die drei Momente und das Gewollte eins: Das ist die höchste Form der Ungetrenntheit. Ihr Gegenteil, also das Auseinanderfallen von Wissen, Wollen, Können, charakterisiert uns Menschen. Die Natur schränkt unser Können ein, die Zurechtweisung durch andere erweist unser Wissen als begrenzt; nur die Willenstendenz ist bleibender Steigerung fähig.
Die von mir vorgeschlagene Textkorrektur nennt den Willen deiformior , also ‹gottförmiger› als das
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