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Was ist Gott?: Das Buch der 24 Philosophen (German Edition)

Was ist Gott?: Das Buch der 24 Philosophen (German Edition)

Titel: Was ist Gott?: Das Buch der 24 Philosophen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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Hier ist die neuplatonisch variierte Ideenlehre als Hintergrund mitzudenken: Unsere Gestalten sind unwahr und immer zerteilt. Formen, wie von Salzwasser zerfressen, sagte Platon. Das Leben der unendlichen Kugel ist normentsprechend und unzerteilt. Die Wahrheit treibt die Form zu ihrer Reinheit, die Gutheit ruft zur reinen Einheit zurück. Das wirkliche Leben, das allumfassende Leben ist gestaltgewordene Wahrheit und aus Güte wieder erreichte Einheit.

    XVI. Gott ist das einzige Wesen, das seines Vorrangs wegen Wörter nicht bezeichnen und das auch Geistwesen der Unähnlichkeit wegen nicht erkennen.
    DEVS EST QUOD SOLVM VOCES NON SIGNIFICANT PROPTER EXCELLENTIAM, NEC MENTES INTELLIGVNT PROPTER DISSIMILITVDINEM.
    Aufgabe des sprachlichen Lauts (vocis) ist es, Begriffe des Geistes zu bezeichnen und sonst nichts.
    Die Seele findet in sich kein Erkenntnisbild oder Muster Gottes, denn diese sind ausschließlich er selbst, aber nicht, sofern er in den Dingen ist. Also ist er ihr seinem ganzen Wesen nach unähnlich. Er bleibt unbegriffen und folglich unbezeichnet.
    Officium vocis est significare intellectus mentis, et non aliud.
    Anima non invenit in se speciem vel exemplar Dei, quia ipsa sunt penitus ipse, non secundum quod sit in rebus. Ergo dissimilis est ei secundum se totum, et non intellectus, igitur nec significatus.

    Der Kommentar zur Definition XVI setzt ebenso wie die Definition ein mit einer Überlegung zur Funktion der Sprache. Die geäußerten Laute bezeichnen Konzepte der Seele. Das ist aristotelische Lehre aus der Schrift De interpretatione 1, 16 a 3–4, durch den Kommentar des Boethius dem Mittelalter überliefert. Das Wort bildet demnach nicht direkt die äußere Dingwelt ab, sondern deren mentale Aneignung. Aufgabe des gesprochenen Lauts ( vox ) sei es, Endliches, Begrenztes, also Bestimmtes zu bezeichnen. Mit trotziger Abwehr heißt es: und sonst nichts. Also geben Vokabeln nur das Denkbild der Sache, nicht diese selbst. Das Denkbild muss begrenzt und daher ausschließend sein. Das Allumfassende erreichen Worte daher nicht. Aber nicht nur Vokabeln versagen, sondern auch unser Denken. Unsere Begriffe grenzen ab, teilen ein. Aber Distinktionen erfassen nicht das All-Eine; sie sind ihm zu unähnlich, durch ihren abgrenzenden Charakter. Die Seele könnte wohl eine einzelne Idee erfassen und bezeichnen, aber Gott ist selbst die Gesamtheit aller Ideen. Diese sind, zusammengefasst, nichts anderes als er selbst, sunt penitus ipse . Sie sind aufgenommen in seine mit sich identische Unendlichkeit und können daraus nicht abgelöst werden. Seine Ideen sind zwar auch in den Dingen, aber nicht, sofern sie er selbst sind. Daher versagt unser abgrenzendes Bezeichnen. Wir haben kein Denkbild von Gott. Wir können ihn weder denken noch sprachlich bezeichnen.
    Augustin lehrte, die Seele finde Gott in sich selbst, nicht draußen. Unser Text behauptet mit einer entgegengesetzten, der Sache nach anti-augustinischen Wendung, die Seele finde in sich kein Erkenntnisbild oder einen Inbegriff ( exemplar ) Gottes. Die Seele sei Gott gänzlich unähnlich, dissimilis secundem se totum . Gott werde von ihr daher weder geistig erkannt noch mit Worten bezeichnet: radikale negative Theologie.

    XVII. Gott, das ist der Begriff nur von sich selbst, der kein Prädikat duldet.
    DEUS EST INTELLECTVS SVI SOLVM, PRAEDICATIONEM NON RECIPIENS.
    Ein Knoten wird nicht erkannt durch die Beziehung auf den Knoten.
    Bei Dingen erfolgt die Prädikation, damit unter verschiedenen Gesichtspunkten entfaltet werde, was in einer einzigen Bestimmung enthalten ist. Da es in Gott keine verschiedenen Wesensgründe gibt, die sein Wesen mehr oder weniger vervollkommnen könnten, erträgt er keine Prädikation, sondern er selbst erkennt sich selbst, weil er sich auf sich selbst hin erzeugt.
    Non cognoscitur nodus per relationem nodi. [ 45 ]
    Praedicatio in rebus est ut diversis rationibus explicetur quod unica includitur. Igitur cum in Deo non sint diversae rationes secundum prius et posterius, perficientes quid eius secundum magis et minus, non recipit praedicationem, sed seipse seipsum intelligit quia ipsum ad ipsum generat.

    Außerhalb der unendlichen Kugel gibt es nichts. Gott ist die Erkenntnis, die als einzige alles erkennt, indem sie sich erkennt. Diese Selbsterkenntnis kann nicht die Form menschlicher Sätze haben. Diese werden sinnvoll, nicht indem sie den diskutierten Grundbegriff – den ‹Knoten› der Fragestellung – wiederholen, sondern indem

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