Was ist Gott?: Das Buch der 24 Philosophen (German Edition)
nicht inhaltslos; es besteht im Abstoßen von Inhalten, im Fernhalten aller eingrenzenden Bestimmungen, die im Licht der unendlichen Einheit entstanden sind. Euch bleibt als Ertrag, dass ihr wisst, was Gott nicht ist. Nur so könnt ihr euch mit dem Einen vereinen, denn es geht nicht nur um Erkenntnis.[ 48 ] Dies mochte einigen Theologen zu wenig scheinen, die im 13. Jahrhundert gerade dabei waren, Theologie als ‹Wissenschaft› zu etablieren. Sie sahen ihre Aufgabe eher darin, bestimmte Prädikate mit dem Satzsubjekt ‹Gott› zu verknüpfen, und zwar nach eindeutigen Regeln.
Der Autor steht nicht allein, wenn er vom Nichtwissen als dem einzig wahren Wissen von Gott spricht. Der Mensch, heißt es bei Dionysius Areopagita in der Theologia mystica 1, müsse eintreten in die Finsternis. Bei Platon und Plotin, bei Augustin und Johannes Eriugena kommen ähnliche Wendungen vor; Nikolaus von Kues gab seiner Schrift den Titel De docta ignorantia. In anderen Arbeiten diskutierte er, was es heißen könne, den Aufstieg im Nicht-Wissen zu vollziehen.
XXIV. Gott ist das Licht, das nicht gebrochen als Lichtglanz erscheint. Es dringt durch. Aber in den Dingen ist es nur Gottförmigkeit.
DEVS EST LVX QVAE FRACTIONE NON CLARESCIT, TRANSIT, SED SOLA DEIFORMITAS IN RE.
Diese Definition erfolgt im Hinblick auf das Wesen.
Geschaffenes Licht wird gebrochen, wenn es auf einen dunklen Gegenstand fällt, der von solcher Dunkelheit ist, dass es ihn wegen seiner überwiegenden Stofflichkeit nicht aufhellen kann. Das Licht wird dann zerlegt in Strahlen, und zwar dort, wo sein Glanz am größten ist. Es geht, da diese Zerlegung sein Wesen betrifft, in eigenschaftliche Formen (accidentia) über; seine Brechung erzeugt eine Vielzahl von Akzidentien. Und das ist der Lichtglanz (claritas).
Das göttliche Licht hingegen trifft bei geschaffenen Dingen auf keinen Stoffcharakter, der so stark wäre, es in seiner Wirkung zu brechen. Daher durchdringt es alles. Nur die Gottförmigkeit, die in den Dingen ist, geht in Vielheit über; sie erzeugt Lichtglanz – in den Dingen, nicht in dem Licht selbst.
Und das ist es, was er behauptet.
Haec definitio est ad essentiam data.
Lux creata sicut cadit super rem tenebrosam tantae tenebrositatis quod non sit potens lux illa purgare tenebrosum, propter sui vehementem possibilitatem, tunc frangitur lux in radiis, in maximo scilicet sui acuti, et pertransit in accidentia, essentialis cum ista fractio accidentia multiplicat. Et haec claritas est.
Lux divina non invenit in rebus creatis tantam possibilitatem quae eam frangat in sua actione; unde omnia pertransit. Sed sola deiformitas in re, illa multiplicat et claritatem in re generat, in se nullam. Et hoc est quod dicit. [ 49 ]
Der Kommentar unterscheidet zwei Arten von Licht, das geschaffene und das göttliche. Er beginnt mit der Untersuchung des geschaffenen Lichts. Man darf dabei ans Sonnenlicht denken. Von ihm heißt es: Trifft es auf einen dunklen Körper von so geringer Aktualität, weil von so überwiegender Stofflichkeit – anders wäre es bei Luft, Wasser oder Glas –, dass es ihm das Dunkel nicht wegnehmen kann, dann bricht sich das einheitliche Licht in viele bunte Strahlen. Vorher war es einheitliche Substanz; jetzt zerfällt es in viele Erscheinungsweisen ( accidentia ). Und diese nehmen wir wahr als Lichtglanz und Farbenvielheit.
Anders das göttliche Licht: Es durchdringt alles, denn es findet keinen Stoffwiderstand, der so groß wäre, es zu brechen und zu vervielfältigen. Die Körperdinge sind gottförmig. Darin liegt ein doppelter Aspekt: Zunächst entsprechen sie Gott und sind dessen Lichtgeschöpfe. Aber sie sind nicht Gott und ihr materielles Element hindert, dass das in ihnen anwesende göttliche Licht ungebrochen durchscheint. Das göttliche Licht multipliziert sich an ihnen selbst, ohne sich zu verändern, also seine Einheit zu beeinträchtigen.
Es fehlt eine optische Analyse der Lichtbrechung, wie sie Alhazen und Dietrich von Freiberg vorgenommen haben. Der Kommentar gibt eine Metaphysik des Lichtes, die den alten Gedanken, dass Gott Licht ist – wir finden ihn in Bibel und platonisch-neuplatonischen Texten als Theorie der lux intelligibilis – vom irdischen Phänomen der Lichtbrechung aus erläutert. Das Ergebnis fügt sich in den Gesamtgedankengang ein: Das reine Licht ist nicht zu sehen. Wir sehen Lichtglanz. Aber der ist ein abgeleitetes Phänomen.
Der Spruch XXIV, heißt es, gebe eine Definition, die das Wesen
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