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Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Titel: Was ist koscher - Jüdischer Glaube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Spiegel
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modernes Judentum?
    Gibt es eigentlich ein modernes Judentum, werde ich immer wieder gefragt. Denn für die meisten Nichtjuden hat das Judentum nur zwei Gesichter. Da gibt es einmal die Juden, die wie ich aussehen: modern gekleidet, ohne Bart, ohne KaĞ an, ohne Kippa, anscheinend genauso säkular wie alle anderen Menschen. Und dann sind da die »eigentlichen« Juden: das sind jene Ultra-Orthodoxen, die mit schwarzem KaĞ an, mit Hut, Bart und Schläfenlocken herumlaufen und somit als Juden sofort erkennbar sind.
    Viele glauben, dass diese Juden das uralte Judentum verkörpern, eine Art archaisches Judentum, das unverändert seit Jahrtausenden, seit den biblischen Anfängen existiert. Natürlich ist das nicht so. Aber mehr noch – diese »KaĞ anjuden«, wie man sie auch despektierlich nennt, sind eigentlich ein Ergebnis der modernen Entwicklung des Judentums! Es gibt sie gerade mal erst etwas mehr als 200 Jahre! Diese chassidischen Juden, wie sie heute auch genannt werden, sind das Ergebnis einer politischen und spirituellen Katastrophe, die das Judentum im 17. Jahrhundert heimgesucht hat.
    Wir schreiben das Jahr 1648. In diesem Jahr wird Bogdan Chmielnicki zum Führer der Kosaken gewählt. Die Kosaken begannen eine Revolution gegen die polnische Aristokratie, die Land und Menschen fi nanziell ausbluten ließ. Eben diese Aristokratie aber haĴ e die verfolgten Juden aus MiĴ eleuropa herzlich willkommen geheißen und sie gerne in Polen aufgenommen. Juden wurden zu Verwaltern ihrer Reichtümer, und sie haĴ en die Aufgabe, bei den Untertanen der polnischen Fürsten die Steuern einzutreiben. Kein Wunder, dass Chmielnicki und seine Mannen ihnen nicht wohlgesonnen 119
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    waren. Die Kosaken bringen im Laufe der Revolution rund ein Viertel der polnischen Judenheit um, viele werden als Gefangene auf den Sklavenmarkt von Konstantinopel gebracht und dort verkauĞ .
    Die fröhlichen Zeiten in Polen sind damit ein für alle Mal vorbei.
    Die Massaker des Bogdan Chmielnicki an den polnischen Juden waren so furchtbar, dass viele jüdische Gemeinden glaubten, das Ende der Zeiten sei nahe. Denn in der Überlieferung heißt es, dass eine besonders schlechte Zeit der AnkunĞ des Messias vorausgehe. In ihrer Verzweifl ung griff en die Juden nach jedem Strohhalm, der ihnen irgendwie Halt bieten konnte. Die Idee, die AnkunĞ des Messias stünde un-miĴ elbar bevor, begann sich wie ein Lauff euer in ganz Europa auszubreiten. In der jüdischen Welt machte sich ein merkwürdiger esoterischer Spiritismus breit, der alle Schichten erfassen sollte.
    Kabbalisten, Messianisten, Rabbiner
    Die Sehnsucht nach dem Messias war größer denn je. Und er kam. In Gestalt des Schabbatai Zwi, eines jungen Talmudschülers, der 1626 in Smyrna ausgerechnet am 9. Av geboren wurde. Der 9. Av ist im jüdischen Kalender der Tag, an dem der Tempel zerstört wurde. Traditionell heißt es, dass der Messias an einem 9. Av geboren wird. Bei Schabbatai war das tatsächlich der Fall. Sein wichtigster Jünger und Verkünder wurde ein Mann namens Nathan von Gaza, der von sich glaubte, er wäre die Reinkarnation des Propheten Elij ahu, der nach der Überlieferung die AnkunĞ des Messias verkünden 120
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    werde. Nathan von Gaza muss ein PR-Genie gewesen sein.
    Denn bis 1665 haĴ e er die meisten jüdischen Gemeinden Europas davon überzeugt, dass Schabbatai Zwi tatsächlich der lang ersehnte Messias wäre. Nathan machte irrsinnige Pro-phezeiungen: Bald würden die Zwölf Stämme von allen vier Enden der Welt eingesammelt, der türkische Sultan würde enĴ hront und die Erlösung am 18. Juni 1666 beginnen!
    Die jüdische Welt war in Aufruhr und geriet in Ekstase.
    Ganze Gemeinden schlossen sich Schabbatai Zwi an, ließen alles stehen und liegen, um zu dem »Messias« zu eilen. Familien verkauĞ en ihr Hab und Gut, um dem Erlöser zu folgen, es war eine einzige, große, wahnsinnige Raserei.
    Doch es kam – natürlich – alles ganz anders. Als Schabbatai in der Nähe der osmanischen Hauptstadt Konstantinopel seinen Fuß an Land setzte, wurde er von den Behörden prompt verhaĞ et. Er kam als Aufrührer vor Gericht und haĴ e die Wahl, zum Tode verurteilt zu werden oder zum Islam zu konvertieren. Ganz irdisch wählte der verängstigte »Messias«
    die Konversion. Als Muslim starb er 1676 in Albanien.
    Doch damit war das Ende des Spuks noch nicht erreicht. Wer-bemanager

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