Was ist koscher - Jüdischer Glaube
Selbst die abgebrühtesten Agnostiker unter den Juden waren sich nicht ganz sicher, noch dazu unmit-telbar nach der Shoah, ob nicht doch eine göĴ liche Hand da Geschichte geschrieben hat.
Und dieses Gefühl verstärkte sich noch einmal 1967, als im Sechstagekrieg die heiligsten StäĴ en unseres Glaubens wieder 179
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in jüdische Hände fi elen: in erster Linie der Tempelberg und die Westmauer des ehemaligen Tempels, die Klagemauer, die nach der Zerstörung durch Titus im Jahre 70 d. Z. als Einzige übrig blieb. Damals verdrückten auch die ungläubigsten Juden heimlich eine Träne der Rührung, des Staunens und na-türlich der Hoff nung, dass nun, nach so vielen Jahrtausenden des Leids, Juden endlich in Frieden leben werden. Doch dazu ist es auch bis heute nicht gekommen.
Was bleibt, ist das Dreieck: Volk – GoĴ – Land. Egal, wie jeder Jude heute im 21. Jahrhundert dieses Dreieck für sich interpretiert, es ist ein magisches Dreieck geblieben und hat von seiner Gültigkeit nichts verloren: Es bestimmt unser Schicksal auch in ZukunĞ , und sei es nur deswegen, weil wir immer noch daran glauben.
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Was ist koscher?
Jeder, der Deutsch spricht, kennt die Bedeutung des Wortes
»koscher«. Wenn wir einem Menschen nicht vertrauen, dann sagen wir: »Der ist nicht ganz koscher«, wenn wir einer berufl ichen Vereinbarung misstrauen, dann heißt es gerne: »Der Vertrag scheint mir nicht ganz koscher zu sein.« Auf He-bräisch heißt das Wort in der Tat »tauglich«, »sauber« oder
»rein« und gehört zu den bekanntesten der jüdischen religiö-
sen Praxis. Fast jedermann weiß auch, dass Juden koscher essen. Doch was das genau bedeutet, das wissen natürlich nur die wenigsten. Bevor also hier das »Geheimnis« der koscheren Küche gelüĞ et wird, ist es aber notwendig, einen kleinen Ausfl ug in die Religionsphilosophie zu machen, um den Begriff »koscher«, »rein«, zu erklären. Was meint das Judentum eigentlich, wenn es von »Reinheit« spricht?
Anders als im Christentum kennt das Judentum keinerlei Form von Askese. Es gibt kein Mönchstum, es gibt keine Klöster, es gibt kein Zölibat, keine Kasteiung. Nichts Menschliches ist dem Judentum fremd, könnte man sagen. Essen, Trinken, Sexualität – all das gehört zur Natur des Menschen und soll keinesfalls unterdrückt werden. Im Gegenteil, der Genuss dieser Dinge ist ein Geschenk GoĴ es. Die Frage ist nur: Wie genießt man richtig?
Da es also keine Abstinenz von irdischen, profanen, physischen Dingen im Judentum gibt, geht es darum, aus dem Profanen etwas Heiliges zu machen. Das Leben an sich ist heilig, aber es gilt auch, jede Aktion, jede Tat zu heiligen, indem man sie im Sinne GoĴ es vollzieht. Man kann ein Glas Wein trinken und diesen Vorgang heiligen, oder man trinkt ein Glas Wein ganz profan und dient dabei nicht dem höheren Zweck des 181
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Lebens. Man kann sich der Sexualität hingeben im Rahmen der Heiligung des Lebens oder in sexuellen Exzessen schwel-gen, die gar nichts mehr mit der Heiligkeit der Sexualität im Judentum zu tun haben.
Die Mitzwot, die Ge- und Verbote, sind die Richtlinien, die es dem einzelnen Menschen ermöglichen, jeden Moment des Lebens, vom Erwachen bis zur Nachtruhe, zu heiligen, dem Leben also einen höheren Sinn zu geben und damit nicht nur GoĴ zu dienen, sondern sich damit auch von den Tieren zu unterscheiden.
Reinheit und Unreinheit: das Kaschrut
Reinheit und Unreinheit haben im Judentum immer eine spirituelle oder moralische Bedeutung. Im Hebräischen wird für
»unrein« das Wort Tameh verwendet. Es bedeutet stets einen Zustand der moralischen oder religiösen Unreinheit, die die Seele oder den Charakter des Menschen negativ beeinfl usst.
Es gibt also nicht nur unreine Tiere, sondern auch unreine Taten: Inzest oder Götzendienst gehören dazu, oder auch
»Laschon Harah«, die üble Nachrede, ein besonders großes Vergehen im jüdischen Moralkodex.
Damit wird schon ein wenig klarer, was mit koscher gemeint ist. Es geht nicht um hygienische oder medizinische Reinheit, sondern um spirituelle Reinheit. Nahrung, die koscher ist, hat also nicht nur den Sinn und Zweck, den Körper nach einem bestimmten diätetischen Regelwerk zu nähren und zu stärken, sie soll auch die spirituelle Reinheit von Körper, Geist und Seele eines Juden ermöglichen.
OĞ mals
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