Was ist mit unseren Jungs los
Jugendlichen auch nicht mit zurückhaltenden Jugendlichen arbeiten können. Wir müssen uns zuerst um die Hierarchien kümmern, bevor wir uns den gemobbten, introvertierten oder sozial unangepassten Jugendlichen zuwenden.
Der Schulleiter von East-Hartford verstand es außerdem, die Größenphantasien der Jugendlichen anzusprechen. 68 Viele Jugendliche wollen zuerst ihre Geschichte erzählen, sich als Individuum mit einer großen Vergangenheit präsentieren, bevor sie sich den Regeln der Schule fügen und anpassen. Diesen leichten Narzissmus der dominanten Schüler und Schülerinnen gilt es zu nutzen und nicht zu bekämpfen.
Verzicht auf Belehrungen ist ein wichtiges Mittel, um Jugendliche in eine Schule einzubinden. Natürlich müssen wir sie auf die Schulhausregeln hinweisen und deutlich machen, dass Zuwiderhandlungen Sanktionen nach sich ziehen. Moralsprüche oder Drohungen bringen jedoch meistens nichts. Bei vielen Jugendlichen wird der Widerspruchsgeist geweckt oder sie beginnen sich zu langweilen, wenn wir als Lehrer lautstark betonen, dass jegliche Gewalt geahndet wird und sie bei Mobbing sofort einschreiten. Vielfach sind solche Belehrungen mehr für die Ohren von Außenstehenden bestimmt, denen bewiesen werden soll, dass man wirklich etwas gegen Gewalt macht. Den Lehrern geht es darum, zu beweisen, dass sie etwas tun und gegen Gewalt vorgehen. Eigentlich handelt es sich jedoch um Selbstinszenierungen. Nur ganz wenige Jugendliche lassen sich durch Moralsprüche beeindrucken. Vor allem die dominanten Schüler und Schülerinnen wollen als Autoritäten angesprochen werden und nicht als Bimbos, die nichts zu sagen haben. Das Raffinierte der Methode dieses Schulleiters war, dass er die dominanten Schüler einband, ohne konkrete Forderungen zu stellen. Hätte er bei den Gesprächen im Rektorat konkrete Forderungen gestellt oder bestimmte Erwartungen gehegt, wäre seine Strategie wahrscheinlich kaum erfolgreich gewesen. Anstatt einer Belehrungsrunde bot er Gipfelgespräche an, die den Narzissmus der Jugendlichen ansprachen und es ihnen ermöglichte, sich positiv in die Schule einzubringen, ohne das Gesicht zu verlieren.
Wichtig war auch, dass der Schulleiter die Jugendlichen persönlich ansprach. Er interessierte sich aufrichtig für ihre Eigenleistungen und persönlichen Erfahrungen. Junge Menschen verhalten sich oft raubauzig und wirken auf uns unnahbar. Sie sind frech und wollen durch zynische Sprüche imponieren. Bei diesem Verhalten handelt es sich jedoch oft um eine Maske. Sie inszenieren sich als mächtige Gegenspieler, um ihre Selbstunsicherheit zu verbergen und ihre Empfindlichkeiten zu verstecken. Sehr gerne erzählen sie von ihren Interessen, Ängsten und Plänen. Als Erwachsene sollten wir versuchen, hinter diese Maske zu blicken und die Jugendlichen direkt von Mensch zu Mensch anzusprechen. Wir können sie in einer Schule besser positiv einbinden, wenn sie sich geschätzt und als Persönlichkeit anerkannt fühlen.
Natürlich ist die Methode des Schulleiters von East-Hartford nicht der einzige Weg, Schüler und Schülerinnen positiv einzubinden. Je nach Schule und Gemeinde ist ein anderer Ansatz geeignet. Vielleicht müssen in einer Schule zuerst die Familien, die in einer Gemeinde eine Rolle spielen, ausgemacht oder die Jugendlichen in ihren Quartiersloyalitäten angesprochen werden. Viele Schulen präsentieren auf Fotos, die in den Korridoren aufgehängt sind, die einzelnen Jugendlichen oder geben den Jugendlichen in den ersten Schulwochen eine Chance, sich individuell darzustellen.
Manifeste Gewaltvorfälle
Das Attribut »manifest« bezieht sich auf die Wahrnehmung und die Auswirkungen eines Gewaltaktes auf das weitere Umfeld. Im Gegensatz zu versteckten Gewaltvorfällen oder Mobbing wird der Vorfall von Außenstehenden registriert, interpretiert und oft ausgeschlachtet. Die Umgebung reagiert verängstigt, besorgt oder hysterisch. Bei manifesten Vorfällen wird der Vorfall zu einem Thema, über das diskutiert wirdoder über das man sich sogar erregt. Da die Umgebung mit einbezogen wird, besteht die Gefahr, dass der Gewaltakt zu einem Politikum wird.
»Vergewaltigung auf dem Schulhof!« wusste die Tagesschau des Schweizer Fernsehens zu berichten. Zwei Jungen hätten ein behindertes Mädchen auf dem Areal einer Schule eines Vorortes von Basel sexuell missbraucht. Die Eltern der Jugendlichen reagierten empört. Eine Mutter berichtete dem Tagesschaureporter, dass sie schon immer geahnt habe, dass es
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