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Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
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das Deutsche ist so flexibel, dass niemand ernsthaft meinen kann, ich spräche vom eigentlichen Übersetzen, wenn ich sage, dass ich den unterwegs auf einem Zettel notierten Einfall zu Hause in mein Notizbuch übertrage.
    Auch das, was ein Dramatiker tut, der einen Prosatext für die Bühne bearbeitet, hat mit Übersetzen nicht mehr zu tun als Stricken. Jakobsons Vorschlag, den Wechsel des Mediums als Unterart des Übersetzens aufzufassen, ist ein Holzweg, und mir ist unbegreiflich, wieso er überhaupt auf die Idee kam. Aber die vielen Leser, die er über die vergangenen Jahrzehnte fand, sind ihm nachgelaufen und betrachten Adaptation von Romanen und anderer Prosa für das Theater und den Film als Sonderformen des Übersetzens.
    Wer einen Film dreht, muss über Talente und Mittel verfügen, die in keiner Beziehung zu den vielfältigen Dingen stehen, die Übersetzer tun oder benötigen. David Leans Doktor Schiwago als Übersetzung von Pasternaks Roman zu bezeichnen heißt nicht nur, die Spezifik der Filmkunst zu missachten, sondern auch das Wort »übersetzen« in so schwammigem Sinn zu verwenden, dass es für alles Mögliche taugt, was ein »Davor« und ein »Danach« hat. Inklusive der Verwandlung von Wolle in Pullover.
    Die populäre Vorstellung, alles sei Übersetzen, ist zweifellos eine Nachwirkung antiker Denktraditionen in der Moderne – genau genommen einer antiken Tradition des Nachdenkens über das Denken. Wenn Wörter, das lag schon für die Griechen auf der Hand, zunächst die eigentlichen Namen von Dingen waren, musste man die vielen Wörter, die keine in der Welt sichtbaren benennen, als Namen von geistigen Zuständen auffassen. Nennen wir sie Begriffe . Sogar bei sichtbaren Dingen benennt das Wort nicht jedes einzelne, sondern nur das, was erlaubt, sie alle als Beispiele für einen Begriff aufzufassen. Daher ist »Baum« nicht der Eigenname dieser Eiche oder jener Espe, sondern benennt den Begriff von einem Baum – das geistige Abbild des Baumseins, das es erlaubt, alle tatsächlichen Bäume als solche zu erkennen. Weitergedacht wären alle sprachlichen Äußerungen die äußeren Formen von Gedanken. Im Gespräch miteinander übertragen wir geistige Abbilder vermittels eines Prozesses der Übersetzung, und zwar so:

    Diese grafische Darstellung der »Telementation« oder Gedankenübertragung stammt aus Saussures Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft , das trotz seiner grundlegenden Neuerungen mit beiden Beinen in der langen Tradition stehen blieb, Sprache als Kleid der Gedanken aufzufassen.
    Der hier dargestellte sprachliche Austausch setzt nicht einmal zwingend voraus, dass A und B dieselbe Sprache sprechen. Solange A und B die Sprachen L1 und L2 beherrschen, würde der abgebildete Prozess des Sprachverstehens – ein Kreislauf aus, 1., dem Übersetzen eines Lautstroms in ein geistiges Abbild, 2., dem Erzeugen eines Lautstroms, der wiederum ein geistiges Abbild ist und nach seiner Äußerung (seitens A), 3., vom Gesprächspartner (B) wiederum übersetzt wird – genau auf dieselbe Weise ablaufen. Zur selben Schlussfolgerung – Sprache ist Gedanke in Übersetzung, Gedanke ist übersetzte Sprache – käme man, wenn man noch eine Person C in das Diagramm einfügte, einen Übersetzer als Vermittler zwischen A und B, die verschiedene Sprachen sprechen. C sähe genauso aus, mit identischen Übertragungslinien zwischen Mund, Ohr und Gehirn. Die Aufnahme des Übersetzens würde an dem Modell nichts ändern, es sagt ja bereits, dass alles Übersetzung ist. Daher haben Saussures Grundfragen und das Gros der Sprachforschung, die in ihrem Schatten geleistet wurden, dem Übersetzen keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt.
    Ich weiß nicht, ob Sprache ohne Denken möglich ist – rein äußerlich betrachtet wird es wohl so sein, da viele Menschen sprechen, ohne nachzudenken –, und ich würde es nicht wagen, meinerseits etwas zu dem endlosen Streit darüber beizusteuern, ob Denken ohne Wörter möglich ist. Mit Zuversicht sagen kann ich nur dies: Wenn wir jegliche Form der Sprachverwendung dem Übersetzen zuschlagen und das damit begründen, dass Sprache ja immer übersetztes Denken ist, erweisen wir dem Verstehen, worum es beim Übersetzen von einer Sprache in die andere geht, einen Bärendienst.
    Um solchen Einwänden zuvorzukommen, bezeichnen Wissenschaftler die Umwandlung eines Werks in ein komplett anderes (eines Theaterstücks in einen Film, eines Musicals in einen Film, am häufigsten aber eines

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