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Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
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DEMS
    Um das zu verstehen, muss man eine Menge über die politischen Ereignisse im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen von 2008 in Amerika wissen, muss außerdem die Spitznamen kennen, mit denen die beiden großen Parteien bezeichnet werden, und mit den Scherzen vertraut sein, die die Redakteure der Nachtschicht in Manhattan mit dem Alphabet treiben. Müssen wir die armen Übersetzer auf der ganzen Welt bedauern, die das Gerüst dieser Geschichte doppelt so schnell wiedergeben mussten? Eigentlich nicht. Was die einzelnen Wörter dieser Schlagzeile bedeuten, ist unwichtig. Wichtig ist, dass sie als Schlagzeile funktioniert. Wie in der englischsprachigen Presse üblich, wird die Schlagzeile »GOP Veep Pick Roils Dems« durch den ihr folgenden Artikel in weniger komprimierter Sprache erklärt. Aufgabe des Übersetzers ist – wenn es denn tatsächlich ein Übersetzer ist und nicht der Nachrichtenredakteur, der diese Funktion ausfüllt –, zunächst den Artikel zu verstehen und sich erst dann eine geeignete Schlagzeile auszudenken, die sich innerhalb des bei Schlagzeilen in der Zielkultur sprachlich Üblichen bewegt. » Le choix de Madame Palin comme candidate républicaine à la vice-présidence des États-Unis choque le parti démocrate (Die Wahl Sarah Palins als republikanische Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten schockiert die Demokraten)« etwa entspricht ziemlich genau dem französischen Schlagzeilenstil und ist ein plausibles Pendant für das kurze Bonmot des Wall Street Journal . Original und Übersetzung müssen den herrschenden Gepflogenheiten beim Verfassen von Nachrichten in ihren jeweiligen Kulturen entsprechen, denn das Verfassen von Nachrichten ist ebenso ein Genre – eine bestimmte Form der Sprachverwendung, die bestimmten Kontexten vorbehalten ist – wie das Versprechen, das Taufen, das Drohen und so weiter.
    Wie viele Genres gibt es? Unzählig viele. Woher weiß man, zu welchem Genre ein beliebiger geschriebener Satz gehört? Das weiß man leider nicht, und das ist der springende Punkt. Kein Satz enthält alle Informationen, die man benötigt, um ihn zu übersetzen. Bei einem Satz, der lediglich als grammatisch korrekte Aneinanderreihung von lexikalisch akzeptablen Wörtern aufgefasst wird, fehlt eines immer, und das ist der Hinweis auf sein Genre. Das kann man nur aus dem Kontext der Äußerung erschließen. Bei mündlichen Äußerungen weiß man natürlich, welcher das ist – hört man sie, ist man ja ebenfalls Teil des Kontexts. Bei schriftlich vorliegenden Texten weiß man meist auch eine Menge. Übersetzer sagen die Bearbeitung von Texten in der Regel erst zu, wenn ihnen vorher mitgeteilt wird, ob es sich um ein Eisenbahn-Kursbuch oder ein Gedicht, eine Rede vor der UN oder ein Romanfragment handelt (und es greifen auch nur wenige Leser zu solchen Texten in der Originalsprache, wenn ihnen auf dem Deckblatt, dem Buchumschlag oder in anderen Begleitmaterialien nicht gesagt wird, was sie da vor sich haben). Um ihre Arbeit machen zu können, müssen Übersetzer wissen, was für eine Arbeit es sein soll.
    Etwas »kalt«, »unbesehen«, »aus dem Stand« oder, wie Literaturwissenschaftler sagen würden, »einen Text an und für sich« zu übersetzen, ist streng genommen nicht unmöglich. Schließlich wird an manchen Universitäten Studenten bei ihren Abschlussprüfungen genau das abverlangt. Aber es ist keine ehrliche Arbeit. Leisten kann man sie nur, wenn man Kontext und Genre der Äußerung errät. Doch sogar wenn man richtig rät, und auch zugibt, dass richtiges Raten ein Zeichen für ein breites Wissen und einen klugen Kopf sein mag, ist es trotzdem ein riskantes Spiel.
    Viele Genres erkennt man in den meisten Sprachen und Kulturen an ihren Formen: Kochrezepte, Werberummel, Grußformeln, Beileidsbekundungen, die Eheschließung, Gerichtsverfahren, Fußballregeln und Regeln fürs Feilschen, das alles findet man fast überall auf der Erde vor. Die Sprachformen zum Vollzug dieser Genres unterscheiden sich zwar von der einen Sprache zur anderen, in manchen Fällen sogar stark, doch wenn ein Übersetzer weiß, in welchem Genre er sich bewegt und die entsprechenden Formen in der Zielsprache kennt, ist die Übersetzung keine besondere Hürde. Probleme entstehen typischerweise eher dann, wenn die Nutzer von Übersetzungen Widerspruch gegen veränderte Wortformen anmelden, die eine angemessene Übersetzung aber nach sich ziehen. Übersetzer übersetzen chinesische Kochrezepte nicht »ins

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