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Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
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Original auch immer, in die Verfahrenssprache übersetzt werden – weitere Arbeit für verschiedene Angehörige des Sprachendiensts. Doch das ist nur die halbe Geschichte. Die Entscheidungen des Gerichts werden von allen oder einigen der insgesamt 27 Richter, je einem aus jedem Mitgliedsstaat, unter Berücksichtigung des Vorschlags getroffen, den einer der acht Generalanwälte in einem begründeten Schlussantrag unterbreitet hat. In der Generalanwaltschaft haben die fünf großen Mitgliedsstaaten der EU einen ständigen Sitz, die übrigen Plätze werden nach dem Rotationsprinzip mit Vertretern der kleineren Mitgliedsstaaten besetzt, sodass alle 23 vertreten sind. Informelle Gespräche und Beratungen finden auf Französisch statt, den für die Spruchfindung in einem anhängigen Fall so wichtigen Schlussantrag trägt der Generalanwalt jedoch in seiner Muttersprache vor. Reicht beispielsweise die portugiesische Regierung Klage gegen eine bayerische Milchproduktionsgenossenschaft ein und unterbreitet ein estnischer Generalanwalt den Vorschlag für ein Urteil, erfordert das mindestens fünf direkte Übersetzungen: PORT → FRZ, FRZ → PORT, FRZ → D, D → FRZ und ESTN → FRZ; in vier weiteren Richtungen wird gegebenenfalls mit Französisch als Relaissprache übersetzt: PORT → [FRZ] → D; D → [FRZ] → PORT, ESTN → [FRZ] → PORT und ESTN → [FRZ] → D; oder aber es wird direkt zwischen D → PORT und PORT → D übersetzt. Die drei noch nicht bedienten Richtungen, nämlich aus dem Französischen, Portugiesischen und Deutschen ins Estnische, werden nicht benötigt, es sei denn, der beteiligte Generalanwalt verwendet für seinen Schlussantrag Französisch, die interne Verständigungssprache des Gerichts. Da die Entscheidungen des EuGH für alle Mitgliedsstaaten bindend sind, werden die Urteile erst veröffentlicht und rechtskräftig, wenn sie in alle 23 offiziellen Sprachen der EU übersetzt sind. Alle Sprachabteilungen des 750-köpfigen Übersetzerdiensts beim EuGH sind auf der einen oder anderen Ebene an allen ergangenen Entscheidungen beteiligt.
    Für Euroskeptiker ist das Vorhalten eines derart üppig ausgestalteten Übersetzungsdiensts skandalöse Verschwendung – eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Wohl wahr, an den Berufungsgerichten des Osmanischen Reichs und der k. u. k. Monarchie, ebenfalls Vielvölkerstaaten, ging es anders zu, und der Unterhalt des EuGH ist sehr kostenaufwendig. Wahr ist gemäß dem Gesetz der unbeabsichtigten Folgen auch, dass die in dem Palast aus Stahl und Glas auf dem Kirchberg-Plateau umgesetzte Sprachenparität ihre eigenen, sehr misslichen Disparitäten erzeugt. Sind Sie ein ausgebildeter Jurist aus Malta, Estland oder Ungarn, sprechen ausgezeichnet Französisch und verfügen über gute Kenntnisse in einer weiteren europäischen Sprache, sind die Arbeitsmöglichkeiten in Luxemburg schon sehr attraktiv. Nur leider haben Malta, Estland und Ungarn Mühe, solche Personen für ihren eigenen Staatsdienst zu gewinnen, wo diese Kenntnisse dringend benötigt werden. Sind Sie hingegen ein britischer Jurist, sprechen ausgezeichnet Französisch und ganz passabel eine zweite europäische Sprache, winkt die lukrativere Karriere in London und New York, und so leidet der EuGH unter chronischem Mangel an Übersetzern in genau die Sprachen, die er am häufigsten braucht.
    Ohne den EuGH kann die Union nicht existieren. Sollte er seine ganz eigene Praxis der Durchsetzung der Sprachenparität aufgeben, ist nicht erkennbar, wie das europäische Recht in allen Mitgliedsstaaten weiter gelten könnte. Deswegen wurden auch sämtliche in den vergangenen 50 Jahren vermutlich aus Vernunft- oder Budgetgründen vorgetragenen Einsprüche gegen sein Übersetzungsregime abgelehnt. Der politische Wille, ein funktionierendes Europa hinzukriegen, ist zu stark, als dass er sich von Übersetzungsproblemen aufhalten ließe. Europa hat eine von Grund auf neue übersetzerische Welt geschaffen.
    Das Besondere am EuGH ist aber, dass es keine Nur-Übersetzer beschäftigt. Die Sprachprofis auf dem Luxemburger Kirchberg sind zugleich Juristen und als solche auf vielen Ebenen und jenseits des reinen Sprachentransfers in die Tätigkeit des Gerichts eingebunden.
    Sie haben Zugang zu vertraulichem Material und arbeiten unter denselben Verfahrensregeln wie Anwälte; sie greifen beratend bis ins kleinste Detail von Entwürfen ein, aus denen sich in anderen Sprachen Unklarheiten ergeben könnten. Die Arbeit der Sprach-

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