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Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
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für Abfälle und für Tierkörper, die NICHT für den menschlichen Verzehr bestimmt seien. Es mag obskur klingen, der strittige Punkt aber war klar: Mogelte das britische Fuhrunternehmen sich um die Bestimmungen herum oder nicht?
    Letztlich geht es bei diesem Fall um ein bekanntes Problem der Sprache des Rechts und der Sprache überhaupt: Wo setzt man die Klammern bei einer Aufzählung von Nomen, denen eine einschränkende Wendung folgt? Schränkt die Einschränkung jedes Wort in der Aufzählung ein oder nur das letzte? Haben in der Wendung »Kinder und Frauen mit Säuglingen auf dem Arm« auch die Kinder Säuglinge auf dem Arm?
    Im Alltagsgebrauch verlassen wir uns bei solchen Uneindeutigkeiten auf den gesunden Menschenverstand und den Zusammenhang. Im Recht sind sie ein fruchtbarer Boden für pingeligen Juristenlingo. Als der Fall vor den EuGH kam, verglichen die Juristen, die Linguisten und vor allem die Mitarbeiter des hauseigenen Sprachendiensts zunächst alle 23 Fassungen der Ausnahmeklausel. Sie fanden eine – den niederländischen Text –, in der die Beschränkung auf Güter, die »nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt« sind, vor den »Tieren« und den »Abfällen« steht – aber hauptsächlich aus grammatischen Gründen. Das Gericht jedoch betrachtete den Fund als Geschenk des Himmels, nicht als grammatische Variante desselben uneindeutigen Texts. Es erkannte darauf, dass die niederländische Wortfolge klarer und präziser als alle anderen den eigentlichen Zweck der Bestimmung zum Ausdruck bringe – und wies die Klage ab. Die Spedition musste die Geldstrafe bezahlen. 4
    Nehmen wir an, das EU-Gremium, das den Einfall hatte, bestimmte Klassen von Lastwagen von den allgemeinen Bestimmungen auszunehmen, dachte dabei an Lastwagen, voll beladen mit womöglich ungenießbarem Fleisch. Interessant ist hier nicht das abschließende Urteil des EuGH, dem zuzustimmen leichtfällt, sondern die herangezogene Begründung. Und die ist eine grammatische: Sie besagt, dass Einschränkungen, die einer Reihe von Nomen vorausgehen, für alle Nomen in der Reihe gelten. Dieses semantische Prinzip wird in der niederländischen Fassung sichtbar, doch alle anderen, in denen die Einschränkung aufgrund von grammatischen oder stilistischen Regeln am Ende der Aufzählung steht, müssen als Ausdruck desselben Gedankens aufgefasst werden.
    Diese Begründung ergibt in den meisten EU-Sprachen keinen Sinn, erst recht nicht in der Arbeitssprache des Gerichts – Französisch –, wo alle möglichen näheren Bestimmungen, inklusive simpler Adjektive, die auch bei einem einzelnen Nomen nachgestellt werden, diesem Nomen nachfolgen und eben nicht vorausgehen. Woher stammt die vom EuGH gewonnene Einsicht in die Klarheit des Niederländischen? Deutsch und Ungarisch etwa setzen Adjektive in der Regel zwar auch vor das Nomen, aber die wahrscheinlichste Antwort auf die Frage ist meiner Meinung nach: Sie stammt aus der Grammatik des Englischen. Es ist das Englische, nicht das Französische, Deutsche, Spanische oder Ungarische, das intuitiv am stärksten die Ansicht stützt, »nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte Tierkörper und Abfälle« sei ein weniger uneindeutiger Ausdruck als »Tierkörper und Abfälle, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind«. Trotz großer und willentlicher Anstrengungen in die entgegengesetzte Richtung widersteht auch der EuGH nicht der schleichenden und stetigen Einebnung der Sprachen, mit denen es das europäische Recht fortschreibt.
    Mir geht es nicht darum, dieses eine Urteil anzugreifen oder die wichtige Arbeit herabzusetzen, die von den Sprach- und Rechtsverdrehern in Luxemburg geleistet wird. Die vergleichende Methode, mit der die eigentliche Intention eines Gesetzes festgestellt wird – eine Methode, die schon der heilige Augustinus bei der Bibelexegese nutzte –, ist jedoch ebenfalls an eine Sprache gebunden. Vermutungen und Annahmen über die Bedeutung von Wörtern, grammatischen Strukturen und rhetorischen Wendungen sind zwangsläufig in einer Sprache verankert und baumeln nicht an einem Haken von einem übersprachlichen Rechtshimmel herab. Diese Wahrheit wird nur leicht vergessen in den polyglotten Korridoren und Cafeterias auf dem Kirchberg, wo man vielleicht mit einem spanischen Richter auf Französisch parliert und für einen Moment ins Deutsche wechselt und einem netten Menschen aus Prag Guten Tag sagt. Ein Anwalt, den ich dort einmal besuchte, erzählte mir, er überlege gar

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