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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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Strähnen ins Gesicht fiel; ihre Haut schimmerte einladend, wie geschaffen, daß Männerhände darüber glitten. Die Frau strahlte irgendwie eine Wärme aus, ein Glühen, das Vic an den Strahlenkranz um die Kinderköpfe auf einer Cornflakeswerbung in seiner Kindheit erinnerte, eins der wenigen Bilder, die ihm von damals noch im Kopf waren — aber vielleicht lag es bloß am rötlichen Licht des Restaurants.
    »Vic?« sagte Joe und weckte ihn aus seiner Träumerei auf- daß er abgedriftet war, merkte Vic immer erst, wenn man ihn zurückholte —, »das ist Emma.«

JOE

    I n der ersten Zeit gingen Joe und Emma sehr oft aus. Joe wohnte zu der Zeit in Surrey Quays, denn nach seiner Trennung von Deborah stand er beträchtlich schlechter da als vorher. Es war das einzige Mal in seinem Leben, daß er selbst eine Beziehung beendet hatte, und seine entsetzlichen Schuldgefühle deswegen hatte er damit zu besänftigen versucht, daß er Deborah die Wohnung überließ, in der sie gemeinsam hatten wohnen wollen, und dann — als das ihren Tränenstrom nicht einzudämmen vermochte — auch noch 98 Prozent seiner ganzen Habe. Mr. Hamdad, ein Bauspekulant aus Jordanien, hatte jedes Zimmer in Joes viktorianischem roten Backsteinhaus, das an der lautesten aller Hauptstraßen lag, in etwas verwandelt, das Immobilienmakler als »Einzimmerstudios« anpreisen, in Wirklichkeit aber nichts anderes als die guten alten, möblierten Zimmer sind. Die in Joes Gebäudekomplex waren jedoch so archetypisch, so triste und winzig — und so braun —, daß sie wie Filmkulissen aus den 60er Jahren wirkten.
    Emma wohnte derweil in einem großen Haus in Bow mit ungefähr zwölf anderen jungen Leuten zusammen. Wenn das frisch verliebte Paar also ein paar schöne oder gar romantische Stunden zusammen verbringen wollte, sah es sich vor die Wahl gestellt, entweder vor dem Zwei-Röhren-Elektrostrahler in Surrey Quays zu frieren oder ständige Störungen von Steve, Sal, Dave, Ryan, Jackie, Jackies Hund und all den, offenbar namenlosen, Freaks im Kellergeschoß in Kauf zu nehmen.
    Also gingen sie sehr oft aus. Joe konnte es sich leisten, weil man ihm gleich nach dem Examen einen Job in der Retrovir-Forschungsabteilung von Wellcome angeboten hatte. Er hatte wirklich genug Geld oder zumindest ein gesichertes Einkommen, sich etwas viel Komfortableres zu leisten, fühlte sich aber in der Zwickmühle, denn einerseits hoffte er, die nächste Wohnung mit Emma zusammen zu beziehen, andererseits wollte er das nicht zu schnell tun, wegen des Kummers, den das Deborah bereiten würde: Und so — da Unentschiedenheit nun mal Geist wie Tatkraft lähmt — blieb er in dem möblierten Zimmer, dessen Miete angesichts seiner Schäbigkeit zwar exorbitant überhöht war, ihn aber trotzdem am Ende jeden Monats mit einem so erfreulichen Überschuß dastehen ließ, daß er Emma zu einem gelegentlichen Wochenende in einem Hotel auf dem Lande einladen konnte.
    An einem dieser Wochenenden — um genau zu sein, dem Wochenende, das mit dem 17. April 1991 begann, ein Datum, das bedeutungsvoll für sie beide werden sollte — sah es mit Joes Finanzen noch besser aus. Er war mittlerweile von Wellcome weggegangen und hatte den Job angenommen, mit dem Friedner ihn schon geraume Zeit lockte, daher der Geldzuwachs, der bedeutete, daß er sich sogar ein Auto mieten konnte. Und so überraschte er Emma damit, daß er an jenem Freitag in einem kirschroten Golf-Kabriolett vor ihrem Haus aufkreuzte, um sie abzuholen. Emma schrie auf, als sie den Wagen sah; vor ihren Hausgenossen schien es ihr peinlich zu sein, für die so was eindeutig in die Yuppie-protzt-mit-Geld-Kategorie fiel. Trotzdem, die ganze Fahrt die Bow Road hinunter nahm sie ihren Mund nicht von seinem. Obwohl ihre Liebe den Himmel nicht rührte und er stur bei seinem Standard-Englischgrau blieb, fuhren sie die ganze Strecke bis nach Southwold an der Küste von Suffolk mit offenem Verdeck.
    Joe war so schon wahnsinnig in Emma verliebt. Aber an ihren gemeinsamen Wochenenden war es mehr als Wahnsinn. Im normalen Verlauf seiner Liebe spürte er immerhin noch, wie er selbst eine irgendwie aktive Rolle in deren Dynamik spielte. Aber an diesen Wochenenden schien die Liebe ihn umzufegen, ihn gewaltig herumzuwirbeln wie einen Geist in einem Hurrikan, und wenn er Emma dann ins Licht auf dem Land getaucht sah, wie sie in den breiteren und saubereren Betten, als beide sie bisher kannten, schlief oder nicht schlief, spürte er, wie die Liebe sein

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