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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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nach >Zum Abendessen bin ich zu Hause<. Einst kam es in einem spontanen Schwall heraus, es erzwang sich von allein seinen Weg aus deiner Kehle. Jetzt ist es ein Reflex.«
    Er hielt inne, lächelte vor sich hin. »Und das reicht natürlich nicht für die Liebe. Also mußt du weitergehen. Und es gibt nur einen einzigen Satz auf der Leidenschaftsskala, der >Ich liebe ich< noch überragt...«
    »Möchten die Herren noch etwas?«
    Sie sahen auf. Der toupierte Kellner mühte sich, sein speziell für Stammgäste reserviertes Lächeln aufzusetzen, aber seine Augen waren stumpf vor Erschöpfung.
    »Ja«, sagte Vic und hielt ein After Eight hoch. »Haben Sie noch eine Schachtel?«
    »Sir?« Der Kellner vollführte jenes außerordentliche gummihalsige Kopfwackeln, das nur Indern gelingt.
    »Nur um etwas vorzuführen.« Der Kellner wackelte noch mal mit dem Kopf, ging dann aber los und kam eine Sekunde später mit einer neuen, noch in Zellophan eingewickelten Schachtel After Eight zurück.
    »Wunderbar«, sagte Vic, nahm die Schachtel von dem dargebotenen Silbertablett und warf sie melodramatisch in die Mitte des Tischs. »>Willst du mich heiraten?<«
    Danach wurden sie im Spice of Sydenham nie mehr ganz so behandelt wie früher.

    In letzter Zeit, jedenfalls seit es mit seiner Ehe abwärts ging, war Joe dieses Gespräch, an das er sich vorher immer als bloße Anekdote erinnert hatte, immer wieder durch den Kopf gegangen. Joe war schon immer ein methodisch vorgehender Mensch gewesen, und je älter er wurde, desto stärker wurde dieser Zug. So verbrachte er viele Stunden mit Grübeleien, was falsch gelaufen sein könnte, und ertappte sich dabei, wie er kurz davor war, seinen Notizblock zu zücken, um seine Theorien und Hypothesen festzuhalten. Irgendwann in seinen Überlegungen machte er dann die Zeitspanne aus, in der die Schwierigkeiten begonnen hatten, und das war unbestreitbar jene Phase vor und nach der Geburt von Jackson. Das einzugestehen, fiel Joe nicht leicht, teils, weil er sein Kind liebte, teils, weil es ein zu plattes Klischee war — eine Ehe, die am Fels des ersten Kinds zerschellt. Aber so einfach war es sowieso nicht; er wußte genau, daß ihre Beziehung, nicht wie so viele, an den üblichen elterlichen Neubelastungen zerbröselte — zuwenig Schlaf, ständiges Windelnwechseln und das plötzliche Verschwinden von Sex. Mit all dem hätten sie fertig werden können; im Gegenteil, die Lasten der Elternschaft waren eher ein verknüpfendes Band. Emma hatte leichten Herzens ihren Job bei Chaise aufgegeben und machte jetzt von zu Hause aus ihre Entwürfe. Ihre Probleme hatten eher mit Magie zu tun.
    In ihren ersten Jahren waren sie eins jener Paare gewesen, die, nachdem sie sich einmal gefunden haben, alle Neugier verlieren und sich einigeln. Kurz nachdem sie die beiden kennengelernt hatte, bemerkte Tess einmal, sie habe den Eindruck, daß Joe und Emma sie und Vic — wenn auch sehr höflich — nur erduldeteten. »Ich verliere nie so ganz das Gefühl, daß das Zusammensein mit uns für die beiden eine Art Pflicht ist, die sie absolvieren müssen, ehe sie wieder unter sich sein können«, hatte Tess gesagt. Und so war es, ihre Beziehung hatte größtenteils auf genau diesem Gefühl hermetischer Abgeschlossenheit beruht: Manchmal lagen sie im Bett und sahen einander stundenlang an und fühlten, daß sie nichts anderes brauchten, als daß der andere da war.
    Als Emma schwanger wurde, hatten sie in dem Baby nur den Ausdruck dieser Ausschließlichkeit gesehen — und solange es in Emmas Bauch war, hatte es tatsächlich den Anschein gehabt, es sei so; wenn sie nebeneinander lagen, dann war das Baby wie das Verbindungsorgan siamesischer Zwillinge. Aber als es geboren war, zerbrach etwas. Es hatte nichts mit Jackson selbst zu tun — er war ein süßes Baby, eine perfekte Mischung aus ihnen beiden: Emmas grüne Augen unter einer Stirn, die sich so leicht krauste wie Joes. Unterhalb seines rechten Mundwinkels hatte er allerdings ein lila Muttermal, von dem die Ärzte ihnen nun schon geraume Zeit versicherten, es würde mit der Zeit von allein verschwinden. Der Einbruch war eher struktureller Natur: Die horizontalen Verbindungslinien zwischen Emma und Joe wandten sich nun rechtwinklig dem Baby zu. Ihre Beziehung war davon abhängig gewesen, daß es nur zwei von ihnen gab, und als solche waren sie ein vollkommenes und glückliches Ganzes gewesen; ein Dritter störte die Chemie, brachte ihre Liebe aus dem Gleichgewicht. Vielleicht

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