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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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alte, verrückte Frisur durch eine Art Pagenschnitt ersetzt. Und er wußte, daß sie sich nur an den Haaren zog, wenn sie unter Druck stand; es war das Äquivalent zu seinem Herumfummeln an den Ohrläppchen. Er wandte die Augen ab, außerstande ihre Angespanntheit zu ertragen, und sah zu Vic hin, der Emma ebenfalls beobachtete.
    »Wie Nichole gerade sagte«, schepperte Michelles hochnäsige Stimme, »er war ein Kokser.«
    Emma stierte weiter nach unten, während sie sich den Haarbüschel um die Finger zwirbelte. »Ich sage ja nicht, daß keiner der Leute, die sie kannte, Koks nahm. Ich sage nur, wer hätte gewagt, es ihr anzubieten?« Jetzt blickte sie hoch. »Sie war eine Prinzessin .«
    Alle schwiegen. Offenbar versuchte jeder einzuschätzen, ob Emmas Bemerkung vielleicht irgendwie postmodern oder ironisch gemeint war, aber an dem Feuer in ihren Augen erkannten sie schnell, daß dem nicht so war, was die vielfältigsten Reaktionen hervorrief, angefangen von Peinlich-berührt-sein bis Arroganz.
    »Ich bin ihr einmal begegnet, wißt ihr«, rief Sonia in das gesammelte Schweigen, die gerade dazugekommen war, ihren Breit-wie-ein-Kühlschrank-Lover im Schlepptau. »Bei einem Wohltätigkeitsbankett.«
    Mit verlegenem Räuspern entfernte Emma sich, Joe folgte ihr.
    »Was hat sie denn nur?« flüsterte Tess Vic zu.
    »Und natürlich war ich ein bißchen ratlos, was ich zu ihr sagen sollte«, redete Sonia weiter, wobei sie jeden ihrer schnurrenden Morningside-Vokale mit einem amüsierten aristokratischen Mundverziehen begleitete.
    »Ach, das mit Diana geht ihr wohl wirklich nahe.« Mit einem nichtssagenden Ausdruck sah Vic Tess an.
    » Wirklich ?«
    »Und so stellte ich ihr die einzige Frage, die mir einfiel, und die war... gibt es noch irgend jemanden auf der Welt, den Sie unbedingt kennenlernen möchten?«
    »Jaah. Und sie parierte wirklich nicht schlecht...« Vic hörte dem Gerede wie von sehr weit her zu. Er fühlte sich wie in der Mitte auseinandergerissen, so als sei in seinem Innern ein gewaltiges Verrutschen von Gefühlen und Perspektiven zugange. Er wollte hingehen und Emma trösten.
    »Und wißt ihr, was sie geantwortet hat?«
    »Natürlich etwas Schickliches und Passendes«, sagte Tess.
    »Sie ist nicht dumm«, wandte Vic hastig ein, selbst überrascht.
    »Noel Edmonds.«
    Die Partygäste lachten wie aus einem Mund.
    »Ausgerechnet den! Unseren berühmten Fernseh-DJ!«
    »Ich hab ja nicht behauptet, daß sie was Dummes antworten würde«, sagte Tess und sah ihren Freund verwundert an.
    »Also wißt ihr, das zeigt nicht nur einen schrecklichen Mangel an Phantasie, es spricht auch für ihr mangelndes Organisationstalent. Ich meine, hatte sie denn keinen Presseagenten?!«
    »Ich finde, sie trug einfach immer zuviel Pathos auf. Alles ging ihr so nahe, so, als hätte sie eine Haut zu wenig.« Tess sah Vic an, wartete auf seine Antwort, aber er nickte nur abwesend. Dann blickte sie in die Runde all der Londoner Affen um sie herum. »Komm, holen wir die beiden, und hauen wir hier ab.«
    »Na gut.«
    Als sie im Flur standen, drehte Tess sich um und sagte: »Wenn du entweder mit Sonia oder Michelle schlafen müßtest, welche wäre dir lieber?«
    Das war ein Spiel, das sie oft spielten. Normalerweise hatte Vic sofort eine Antwort parat — er kannte seine Gelüste so genau, daß er nicht lange überlegen mußte — , aber er blickte gerade die Treppe hoch und hielt Ausschau nach Joe und Emma. Dann drehte er sich um und sah noch mal ins Wohnzimmer zurück zu den beiden Kandidatinnen.
    »Hm — ich weiß nicht. Ich glaube, Michelle.«
    »Ja«, sagte Tess nachdenklich, »wenn ich ein Mann wäre, würde ich auch lieber Michelle ficken.« Vic nickte. »Aber ich glaube, ich würde lieber in Sonias Mund kommen.«
    Vic sah seine Freundin an; er war an ihre männlichen Phantasien gewöhnt, aber dieser Grad an Einfühlungsvermögen war beinahe beängstigend. Tess drehte sich zu ihm um, mit einem Lächeln im Mundwinkel.
    »Aber dann hätt ich gern ein bißchen Salz auf meinem gekochten Ei.«
    Emma und Joe erschienen oben auf der Treppe, schon in ihren Mänteln: Emma sah fast so verheult und verquollen aus wie an jenem ersten Tag. Vic wollte ihren Blick auffangen, um ihr geheimes Mitgefühl zu signalisieren, aber er prustete immer noch vor Lachen.

JOE

    » D ie Ehe ist doch abwegig , findest du nicht? Warum heiraten Leute eigentlich?« erinnerte sich Joe an Vics Worte. Es war an einem ihrer Abende im Spice gewesen, und Joe hatte ihm

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