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Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)

Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)

Titel: Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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gesagt. Ich habe mir sogar den Einwand gespart, dass Hitler Ausländer war. Aber dieses arrogant-fiese Herrenrassengrinsen in seiner Fresse kann ich so nicht stehen lassen.
    »Wenn ich’s mir so recht überlege, dann liefen in diesen Propagandafilmen auch erstaunlich viele Schäferhunde herum.«
    Das gibt ihm zu denken.
    »Was wollen Sie damit ...«
    Mitten im Satz kriegt er den Faden und bricht ab. Sein Kopf wird etwas röter, und sein arrogantes Grinsen ist verschwunden. Jetzt sollte ich es vielleicht etwas ruhiger angehen, aber irgendwie macht es mich geil, zu beobachten, wie sein Gesicht sich verfärbt. Ich meine, vielleicht platzen ihm ja jedes Mal, wenn er sich aufregt, ein paar lebenswichtige Äderchen. Toi, toi, toi!
    Er wirft wieder einen Blick auf die Uhr. Mein Einsatz.
    »Kann ich jetzt eine Zigarette rauchen?«
    »Nein!«
    »Hören Sie, als ich hier einstieg, konnte ich ja nicht ahnen, dass wir eine halbe Ewigkeit unterwegs sein würden! Ich meine, wir stehen ja hier schon seit Stunden herum ...«
    »Ich weiß!«
    »Meinen Sie wirklich, es würde Sie gleich vergasen , wenn ich nur eine einzige ...«
    »Ich sagte Nein!«
    »Na, bitte, geht doch ...«
    Ich hole die Schachtel heraus, doch bevor ich mir eine anzünden kann, sehe ich, wie seine linke Hand in der Seitenablage der Tür verschwindet.
    »siewerdenkeinezigaretteinmeinemautorauchen!«
    »Zu Befehl, mein Führer«, murmele ich und packe die Schachtel wieder weg.
    »Was?!«
    Ich drehe den Kopf und schaue unschuldig aus dem Fenster.
    Eine Stunde später sind wir keine fünf Kilometer weitergekommen. Neben uns fährt seit geraumer Zeit ein alter Ford Transit. Eine richtige Kifferkarre, mit vor Dunst verschmierten Scheiben. Die Insassen reichen sich Büchsenbier hin und her, und das Beste kommt noch – die Karre hat ein Braunschweiger Kennzeichen. Wenn ich da irgendwie reinkomme, kann ich in Braunschweig Zwischenstopp machen und morgen früh weiter nach Wolfsburg fahren. In Braunschweig zu übernachten ist kein Problem, da mein Freund Roman dort wohnt. Zurzeit weilt er zwar auf Mallorca, wo er den Ort zu finden hofft, an dem sein Schriftstellerspirit gefangen gehalten wird, aber er ist nicht gefahren, ohne mir seinen Zweitschlüssel dazulassen. Wer nichts wagt, der nichts riskiert, also kurbele ich das Fenster runter und mache dem Typen am Lenkrad Zeichen, es mir nachzumachen. Das Fenster gleitet runter, ein vollbärtiger Wuschelkopf blinzelt gegen das Tageslicht an. Rauchschwaden und Led Zeppelin quellen heraus.
    »Was’n los, Mann?«
    »Habt ihr noch Platz?«
    Er schaut an mir vorbei und wirft einen Blick auf meinen Führer. Dann dreht er den Kopf nach hinten und ruft etwas Unverständliches in den Nebel. Anscheinend antwortet der Nebel, denn wenig später nickt er mir zu und kurbelt das Fenster wieder hoch. Ich drehe mich zu meinem Führer um, der den Dialog aufmerksam verfolgt hat.
    »Dann gehe ich mal eine rauchen.«
    »Zuerst bezahlen Sie.«
    »Wie viel macht es denn?«
    »Vierunddreißig fünfzig.«
    »Was? Wir sind doch gerade mal auf halber Strecke ...«
    »Vierunddreißig fünfzig!«, schnarrt er und nestelt wieder an der Seitenablage.
    Ich erhasche einen flüchtigen Blick auf eine kleine Dose Gasspray. Gas! Manche Dinge ändern sich nie.
    Während ich das Geld zusammensuche, frage ich ihn, ob er einen Schäferhund hat. Er schweigt.
    »Ich wusste es«, sage ich und drücke ihm fünfunddreißig in die Hand.
    Er geht nicht weiter darauf ein, kriegt aber einen roten Kopf und versucht, das Geld zu zählen, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen.
    »Gut, damit ist der vereinbarte Betrag beglichen.«
    »Ich bekomme noch was zurück.«
    »Schmerzensgeld«, sagt er kalt.
    Die Schlacht ist verloren. Es gibt keinen Grund, noch unnötige Verluste zu riskieren, also schnappe ich mir meine Tasche, öffne die Tür und drehe mich dann ein letztes Mal um.
    »Ist das nicht irgendwie ein bisschen wenig Schmerzensgeld? Ich meine, bei Ihren Schmerzen? Kommen Sie, ich gebe Ihnen noch was.«
    Ich werfe ihm ein paar Münzen in den Schoß und knalle die Wagentür zu.
    » hoffentlich kriegen sie krebs !«, brüllt er mir hinterher.
    Ich bin schwer versucht, ihm zum Abschied noch den Führergruß mit Effenberg zu geben, aber mittlerweile stehe ich mitten auf der Autobahn, und wer weiß, wie viele seiner Werwölfe-Kameraden mich heimlich beobachten und nur darauf warten, einen Ausländer massakrieren zu dürfen. Daher begnüge ich mich damit, ihm eine Beule in die

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