Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)
Seite seines dritten Reiches zu treten und spute mich dann.
Die Schiebetür des Transits öffnet sich zur Hälfte.
»Beeil dich, Mann, der ganze Qualm zieht raus«, sagt eine metallische Stimme.
Ich schwinge mich rein in den Nebel und muss sogleich husten.
»Trink«, sagt Metallstimme.
Ich nehme eine Büchse entgegen und trinke einen langen kühlen Schluck. Wow! Die Dose geht in zwei Zügen matt. Ich fange einen Joint ab, der in dem Nebel orientierungslos herumgeistert. So lässt es sich leben.
Plötzlich wird Led Zeppelin leiser, und die Stimme des Fahrers dringt durch den Smog.
»Mann, dein Kumpel, hat der ’n Problem, oder was?«
Ich wische eine Ecke an der Scheibe frei und werfe einen Blick nach draußen. Mein Führer hat eine Sommeroffensive gestartet und macht sich an der Schiebetür des Transits zu schaffen. In seiner Rechten erkenne ich etwas kleines Rundes und schiebe mich tiefer in die Nebelbänke. Eine Hand legt sich auf meine Schulter, fast springe ich aus den Klamotten vor Schreck.
»Keine Panik«, sagt Metallstimme. »Lässt sich nur von innen öffnen.«
»Gut, gut«, murmele ich nervös und werfe noch einen Blick hinaus.
Adolf rüttelt an der Tür. Er scheint die Gelegenheit nutzen zu wollen, um ein paar Langhaarige auszumerzen.
»Freund von dir?«, fragt Metallica hinter mir, und so langsam erkenne ich in den Nebelbänken einen bedrohlich großen Umriss.
»Sehe ich etwa aus, als hätte ich Freunde?«, kichere ich nervös.
Ein schnaufendes Knarren ertönt. Hört sich an wie Fehlzündungen.
»Dann mach auf«, sagt die Stimme dann.
Ich brauche einen Augenblick. Dann verstehe ich.
»Äh, das ist, glaube ich, keine so gute Idee ...«
»Ach, mach auf.«
»Der hat eine Gasdose.«
Als Antwort kommt ein böses Metallkichern aus dem Nebel. Ich schiebe mich noch tiefer in den Rauch.
Plötzlich setzt sich der Bus in Bewegung, und nach ein paar Metern folgt ein neuerliches, aber diesmal wesentlich entspannteres Metallkichern.
»Mitfahrerzentrale?«
Ich nicke.
»Trink«, sagt Metallstimme mitfühlend und reicht mir eine frische Büchse.
Als der Bus ein Jahrhundert später anhält, bin ich schwer angeschlagen.
»Endstation«, brüllt der Fahrer.
Na, und wie. Ich torkele auf die Beine und wühle nach meiner Tasche. Sie ist nicht mehr da. Ich werde schlagartig wach.
»Wie wär’s mit Spritgeld, Mann?«, fragt der Fahrer.
So breit kann ich gar nicht sein, dass ich diesen Braten nicht rieche. Traue keinem über drei! Sagte mein Opa schon. Und weil ich auf ihn gehört habe, trage ich mein Geld in einem Brustbeutel.
»Sind zwanzig okay?«
»Klar, Mann.«
Ich reiche den Schein nach vorne.
»Habt ihr vielleicht eine schwarze Tasche gesehen?«
»Hier is was ...«, sagt Metallica.
Meine Tasche kommt aus dem Nebel geflogen.
Ich fange sie auf und öffne die Schiebetür, während ich versuche, die Nebelbänke im Auge zu behalten und gleichzeitig die Lage zu checken. Hm ... Diese Ecke von Braunschweig ist mir gänzlich unbekannt.
»Wo sind wir?«
»In Langenhagen, Mann«, sagt der Fahrer.
»Wo soll das denn sein?«
»Hannover, Mann.«
Mir geht ein Licht auf.
»Ihr fahrt gar nicht nach Braunschweig.«
Der Fahrer schaut mich an, als hätte ich ein halb volles Bier verschüttet.
»Mann, was soll’n wir in Braunshitschweig? Wir wohnen hier!«
Ein Lumpenhaufen in der Ecke bewegt sich plötzlich.
»Will ’n ’r nach Braunsssweig, oder wasss?«, lallt es.
Himmel, da liegt noch einer! Eine innere Stimme ruft mir zu, dass es Zeit ist zu verschwinden, ach, was sage ich: Nichts wie raus hier!
»Alles klar. Kein Problem. Ich muss los. Lebt wohl.«
Ich wende mich ab und gehe los. Wohin? Fragt nicht.
Zwei Stunden später komme ich am Bahnhof Hannover an. Natürlich geht heute kein Zug mehr nach Wolfsburg, also kratze ich die letzten Scheine zusammen und kaufe ein Ticket zurück nach Köln.
Drei endlose Stunden später rollt der Zug im Kölner Hauptbahnhof ein. Jetzt aber wirklich Endstation. Müde, hungrig, dreckig. Eine echt schwachsinnige Art, die Nacht zu verbringen.
Das übliche Empfangskomitee aus Strichern, Junkies, Dealern, Bettlern, Zivilbullen, Touristen empfängt mich. Obwohl es Samstag ist, ist auf der Straße von Wochenendstimmung nichts zu spüren, und das einzige Mal, dass ich in der Bahn angegrinst werde, ist, als ich bei einer Vollbremsung in eine Plexiglasscheibe knalle. Oh Mann ... Nur mein Kontostand hält mich davon ab, gleich zum Flughafen weiterzufahren, um mir ein
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