Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman
soll, dass es sich tatsächlich um Narcisse’ Kinder handelt? Es stimmt, dass laut dem Kapitän der John Bell einige seiner Männer sich an Land mit einheimischen Frauen vergnügt haben und daraus Mischlingskinder hervorgegangen sein mögen, doch Bruder und Schwester, im Alter von acht und fünf Jahren? Ich glaube nicht, dass es da einen Irrtum oder eine Täuschung geben kann.
Sobald man sie aufgelesen hat, sind die Kinder unverzüglich Richtung Europa einzuschiffen. Ich bestehe darauf, dass man sich so wenig wie möglich mit ihnen beschäftigt, und wenn, dann nur auf Englisch. Ich möchte sie in London in Empfang nehmen und der Erste sein, der mit ihnen in der Sprache ihres Vaters spricht. Das übergeordnete wissenschaftliche Interesse an der Weiterentwicklung dieser beiden Kinder erfordert einige Vorsichtsmaßnahmen.
In der Wissenschaft kennt man die einfache Rassenmischung zwischen Weiß und Schwarz, siehe die Mulatten und Mischlinge der Antillen. Für die Mischung zwischen Weißen und Bewohnern der polynesischen Inseln gibt es im Pazifik ebenfalls viele Beispiele. Doch was Weiße und australische Wilde angeht, ist von den wenigen bekannten Fällen – in der Mehrzahl Unglückliche, die in Sydney am Rande der Gesellschaft ein armseliges Dasein fristen – meines Wissens nach noch keiner jemals wirklich erforscht worden. Diese beiden Kinder werden die Gelegenheit zu einer einmaligen wissenschaftlichen Untersuchung bieten.
Wie ihren Vater, so wird man auch sie langsam an die Errungenschaften der Zivilisation heranführen, sie werden auf ihre Essensgewohnheiten verzichten, auf ihre Sprache, ihre Sitten, und nach und nach werden leider auch alle, oder fast alle ihre Erinnerungen verschwinden. Zwei Franzosen aus ihnen zu machen – zumal der untersten Klasse –, interessiert mich nicht. Doch welch einzigartige Chance liegt darin, sie dabei zu beobachten, wie sie sich Tag für Tagin ihr neues Leben einfügen, und festzuhalten, wie sich an Irrtümern, Rückschritten und Fehltritten ihr primitives Dasein manifestiert.
Ihr Vater, der in die Welt der Weißen zurückgekehrt ist, hat mir über jene andere Welt, in welcher er achtzehn Jahre verbrachte, nicht so viel vermittelt, wie ich erhofft hatte – ich trage ihm das nicht nach. Diese beiden kommen direkt und unverstellt aus der Wüste zu uns, mit der Unkenntnis ihrer Jugend und in Freude darüber, ihren Vater wiederzusehen, und sie werden wertvolle Informanten sein.
Man kann sogar erhoffen, dass Pelletier, sobald er die beiden wiedersieht, in der Sprache der Wilden mit ihnen redet und endlich seine Erinnerungen preisgibt. Vielleicht wird der Schock über das Wiedersehen mit seinen Kindern diese heilsame Wirkung auf ihn haben. Aus einem unbestimmten Grund scheint mir, dass er glücklicher und freier wäre, wenn er seine Geschichte offen und ohne Umschweife erzählen könnte. Mögen seine Kinder die Ersten sein, die sie zu hören bekommen!
Ich habe durchaus nicht die Frage nach der Intelligenz von Pelletier vergessen, die am 2. September 1861 anlässlich der Vollversammlung unserer Gelehrtengesellschaft gestellt wurde. Sie sei nicht sehr hoch, und das hätte ihn dazu verleitet, sich in die Welt der Wilden fallen zu lassen, während ein Gebildeter wahrscheinlich ähnlich gelitten hätte, doch ohne seine Kultur aufzugeben. Je mehr ich allerdings darüber nachdenke, desto unwahrscheinlicher erscheint mir diese These, und die beiden Kinder sollen mir den Beweis dafür erbringen.
Monsieur le Président, können Sie sich eine weitere Vollversammlung vorstellen, bei welcher Pelletier, an der Seite von Sohn und Tochter, die berechtigte Neugier unserer Mitglieder stillt und endlich alles über den Nordosten Australiens berichtet, was er weiß und bislang noch nicht erzählt hat? Der Erfolg auf der Tribüne wäre ihm gewiss!
Sie werden einwenden, dass meine Phantasie mit mir durchgeht, und ich gebe Ihnen gerne recht.
Hochachtungsvoll …
Postscriptum:
Wie ich werden auch Sie bemerkt haben, dass die Zeitschrift in ihrer Ausgabe Frühling/Sommer 1862 nicht eine Zeile meiner Antwort veröffentlicht hat. Ich kann nicht hinnehmen, dass auf nur zwei eher dümmlichen als spöttischen Seiten über diese Geschichte berichtet wird. Ich habe damit begonnen, die Fakten zu ordnen und so genau wie möglich schriftlich festzuhalten, zu allererst alle Fakten und dann meine Überlegungen und Anmerkungen. Ich weiß noch nicht, welche Form diese Arbeit annehmen wird, doch hoffe ich, dass
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