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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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eingehalten werden«. Die deutsche Eva nickt bekräftigend. Die Schotten gucken ratlos. Welche Prinzipien – im Sandkasten? In der Puppenecke?
    »Damit man zum Beispiel keine Bilder aus Makkaroni klebt«, stößt unser Lehrer tiefer in die Thematik vor. »Bei den Maori wird Essen nämlich nicht zweckentfremdet. Und wenn man Papiermännchen bastelt, sollte man ihnen niemals die Köpfe abschneiden.« Auch Eulen sind als Dekoration zu vermeiden. »In der Maori-Kultur ein Symbol für den Tod.«
    Eva schreibt eifrig mit. Gut, dass sie ein Papageien- und kein Eulen-T-Shirt trägt. Den ersten Teil unseres Crashkurses in indigener Lebensart beendet Gordon Humphreys mit einem überlieferten Gedicht, damit wir Ausländer uns willkommen fühlen.
»Mit dem, was ich habe
Mit dem, was du mitbringst
Wird unser Essenskorb gefüllt sein.
Wir, die wir angekommen sind
Mit den Kanus dieser Welt
Wir Nachkommen der vier Winde.
Willkommen in Aotearoa
Einem Platz, wo wir alle stehen.«
    Das hätte man mal für die ersten türkischen Gastarbeiter am Fließband in Rüsselsheim schreiben sollen. Wo waren die gefüllten Essenskörbe in Hoyerswerda und Lichtenhagen? Trotz Nudelklebeverbots glaube ich: Von den Nachkommen der vier Winde kann man einiges lernen.
    Endlich ist Pause. Eva rührt neben mir in ihrem Nescafé. Ganz Neuseeland ist auf Espresso und Café Latte umgeschwenkt. Aber es gibt noch kleine Enklaven wie dieses Klassenzimmer, einige Fernfahrertränken und verstaubte Büroflure, wo man schlichtes Instantpulver zum Morning Tea reicht.
    »Na, hallo.« Sie strahlt mich an.
    »Ach, hallo!«
    So ist das im Exil. Automatisch kommen wir uns hier näher als in irgendeinem Stillkurs in Schleswig oder einem Seminar in Stuttgart. Eine Zwangsgemeinschaft entsteht, ob man will oder nicht. Meistens will man nicht. Denn was an den eigenen Stall erinnert, stört am meisten. Deshalb erkennen Deutsche einander im Ausland daran, dass sie betont Abstand zueinander halten. Zumindest die ganz Frischen wollen auf keinen Fall dabei ertappt werden, woher sie kommen. Dieses Phänomen legt sich mit den Jahren. Eva muss also schon etwas länger da sein. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir beide aus der gleichen Region kommen, wie wir feststellen. Nämlich aus der Peripherie von Bergisch Gladbach, rheinisch-korrekt Bääjischlabbah. Sie aus dem Ortsteil Bensberg (Bännsbärsch), ich aus Schildgen (Schildschen). Nächste Großstadt ist Köln (Kölle). Nä, wat is dat schön! Das verbindet.
    Eva ist Sportlehrerin, bekommt aber in Neuseeland keine Lehramtszulassung. Sie müsste ihre Prüfungen nachmachen.
    »Das sehe ich nicht ein, ich habe länger studiert als all die Kiwis hier an den Schulen«, sagt sie. »Deren Ausbildung ist doch eh ein Witz. Das kann man gar nicht vergleichen.«
    Mit deutscher Qualität kann nichts mithalten. Genauso wenig wie mit deutscher Pünktlichkeit, Genauigkeit, Zuverlässigkeit. Ein Wunder, dass andere Länder überhaupt existieren können. Jetzt unterrichtet Eva in einem Gemeindezentrum Pilates. Dreimal die Woche.
    »Und ich habe eine zweijährige Tochter«, sagt sie. »Sie heißt Takaka.«
    Takaka ist ein Hippie- und Aussteigernest in Golden Bay, dem nördlichen Zipfel der Südinsel. Malerisch, sonnig und voller eingewanderter Ökos. Da kann man’s gut aushalten, zumindest für eine Weile.
    »Takaka wurde in Golden Bay in einer Yurte geboren, kurz nach unserer Ankunft. Jetzt ist sie in der Tageskrippe.« Eva zwirbelt eine ihrer Dreadlocks.
    »Ich habe zwei Söhne«, sage ich. »Einer wurde hier geboren. Der andere in Deutschland.«
    Wir lächeln uns wieder vorsichtig an. Der Schottenvater tritt neben uns. Wir stellen uns kurz vor.
    »Anke«, sage ich. »Hi.«
    »Tom«, sagt er und nickt.
    »Und ich bin Eva, hallo.«
    Er beißt in seinen Ingwerkeks und mustert sie eine Spur interessierter. Ein amüsiertes Lächeln macht sich breit.
    »Ach – Eva, wie Eva Braun?«
    Sie zuckt, als habe ihr jemand mit Stahlkappen auf die Crocs getreten.
    »Nein, äh, wie Adam und Eva, schätz ich mal.«
    Betretenes Schweigen bei ihr, unschuldige Ahnungslosigkeit bei Tom. Ich springe für sie ein.
    »Oder Eva Perón. Eva Longoria. Eva Mendes.«
    Erschreckend, wie viele Promis ich noch kenne. Meine Kurskumpanin lächelt wieder.
    »Zur Not sogar Eva Herman.«
    Die Glocke schrillt. Erleichtert stellen wir unsere Tassen weg.
    Vater Schotte will umziehen und daher wissen, in welcher Gegend oft eingebrochen wird. Kim, der Koreaner, ist auf Jobsuche,

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