Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
Vom Netzwerk:
auf Maori. Dann steigt der chinesische Geschäftsmann auf die Holzbühne vor der Kathedrale. Seine Stimme schallt über den Platz.
    »Lasst euch von denen dort nicht irritieren! Wir können sie einfach ignorieren.«
    Er deutet auf die komplett schwarz gekleidete Truppe, die von Polizisten abgeschirmt rechts von der Bühne steht. Alles Männer. Die meisten haben kahl geschorene Köpfe, tragen Fliegerjacken und Biker-Brillen. Manche halten Fahnen hoch. Einer hat ein Hakenkreuz auf den Schädel tätowiert. Ihr Anführer Kyle Chapman trägt einen Schwabbelbauch vor sich her und eine Kappe im Muster der neuseeländischen Flagge auf dem Kopf. ›Right Wing Resistance‹ steht auf seiner Fahne, daneben ein Totenschädel auf einem seitlich liegenden Z. Chapmans Visage hat man in den letzten Tagen oft in der Zeitung gesehen, meist begleitet von einem ausführlichen Interview. Genau wie die Neonazis in Deutschland weiß er, was PR bedeutet.
    Während die Lokalpolitikerin und ein junger Mann von einem Friedensnetzwerk Ansprachen von der Bühne halten, stehen die Anhänger der National Front stumm herum, ihre Hände in den Hosentaschen vergraben. Sie rufen nicht, sie schüchtern nur ein. Einer von ihnen ist Maori. ›We grew here – you flew here‹ steht in weiß auf seinem schwarzen T-Shirt. Ein waschechter Maori-Nazi.
    »Wie geht denn das zusammen?«, sagt Lukas entgeistert zu mir. »Ich dachte, der Verein ist traditionell nur für Weiße.«
    Ich zucke die Schultern.
    »Ich glaube, hier sind selbst die Neonazis bikulturell.«
    Der Hass auf asiatische Immigranten, auf die ›gelbe Flut‹, vereint den rechten Rand und einige extrem nationalistische Maori. Daher ›Wir sind hier aufgewachsen – ihr seid nur hergeflogen‹.
    Immer mehr Demonstranten haben sich vor der Schlägertruppe aufgebaut. Sie zücken Digitalkameras, warten auf Action. Die Appelle auf der Bühne sind vorbei. Ein bärtiger Mann tritt vor, wirft sich seine Jeansjacke über die Schultern und zeigt mit dem Finger auf Chapman.
    »Habt ihr nichts zu sagen? Seid ihr etwa stumm?«
    Der Glatzkopf schweigt weiter. Die Passanten murmeln lauter. Jemand reicht ein Megafon durch und hält es dem Vordersten im schwarzen Block hin. Doch da schießt ein Kopf mit roter Rastamähne aus der Menge.
    »Seid ihr verrückt?«, ruft Eva Schebbenberg-Olewski. »Ihr dürft denen doch kein Sprachrohr geben!«
    Die Passanten schauen sie überrascht an. Das Megafon hängt unentschlossen in der Luft. Eva ist aufgebracht. Sie streicht sich die Dreadlocks aus dem Gesicht.
    »Wir müssen aus der Geschichte lernen. Keinen Fußbreit den Faschisten!«, ruft sie ins Megafon. Es fiept schrill. Jemand knipst ein Foto von ihr.
    »Alles etwas anders als in Rostock«, raunt Lukas mir zu. »Und diese Eva …«
    »Lass sie. Ich mag sie. Sie traut sich wenigstens was.«
    »Aber ging sie dir nicht anfangs auf die Nerven?«
    »Vielleicht hat sie mich einfach an zu vieles erinnert.«
    Lukas schaut mich an. Er runzelt die Stirn.
    »Die Deutschen passen dir nicht, die Kiwis passen dir nicht – kannst du nicht endlich mal deinen Frieden machen? Sonst bleibt uns am Ende nur noch die Antarktis. Vielleicht brauchen sie ja auf Scott Base einen Urologen.«
    Ich schlucke. Von hinten rempelt mich aus Versehen ein Rechter an. Er entschuldigt sich höflich. Dann singen die Demonstranten gemeinsam mit den Neonazis zum Abschluss die Nationalhymne.
                
    Pinkes Satin umhüllt mich in fließenden Bahnen. Darüber sprenkle ich Wattebällchen, die ich locker am Stoff festtackere. Lukas fragt, ob das Miss Piggy sei, die im Schönheitssalon ausgerutscht ist. »Das ist ein Lamington«, belehre ich ihn. Ich gehe als Nationalgebäck auf die Kiwiana-Party.
    Lukas, mit einem Großreservoir an schlechtem Geschmack ausgestattet, spielt kurz mit der Idee, sich ein wollenes Plüschtier vor den Latz zu schnallen und untenrum lediglich ein paar Gummistiefel zu tragen. Denn nichts verkörpert einen klassischen Kiwi besser als ein Schafficker – glaubt man den Witzen, die über Neuseeländer in Sydney und London kursieren. Witze aus den dunklen, dunklen Zeiten des nationalen Minderwertigkeitskomplexes. Witze, die so beginnen: Warum tragen Kiwis so gerne Gummistiefel? Weil man da so gut die Hinterbeine vom Sch … – genug! Witze, die unter gar keinen Umständen jemals innerhalb der Landesgrenzen wiederholt werden sollten. Es hat schon Verschwundene gegeben.
    Nur zwei Vergehen werden in Neuseeland

Weitere Kostenlose Bücher