Was sich kusst das liebt sich
sehr wahrscheinlich war– Douglas hatte es noch nie groß gekümmert, was sie trieb.
Schon dass er hier an ihrem Küchentisch saß und von ihrem bunt zusammengewürfelten Geschirr aß, war ein kleines Wunder. Wenn sie sich mal im Flur begegneten, fragte er nur rasch im Vorbeigehen: » Na, alles klar, Schwesterherz?«, ohne ihre Antwort abzuwarten. Im Grunde genommen hatten sie erst eine einzige ernsthafte Unterhaltung geführt, nämlich nachdem er und Charlotte sich in Las Vegas von einem Elvis-Imitator hatten trauen lassen.
» Meine Güte, das ist doch alles schon Jahre her«, hatte er sie angebrüllt, nachdem sie ihm zehn Minuten wortreich erklärt hatte, warum es sie so verletzte, dass er ausgerechnet Charlotte geheiratet hatte. » Dein Problem ist, dass du zu viel nachdenkst. Du solltest hin und wieder deine Bücher weglegen und das Haus verlassen.«
Er hatte leicht reden. Er war immer beliebt gewesen, stets lächelnd und fröhlich. Als er ein kleiner Junge gewesen war, hatten die Leute auf der Straße angehalten, um seine engelsgleichen Gesichtszüge zu bewundern. Er hatte dieselben markanten Wangenknochen wie Celia, jedoch kombiniert mit dem weicheren, weniger spitzen Slater-Kinn und der Slater-Nase. Größenmäßig kam er dafür nach ihrer Mutter, und sein kastanienbraunes Haar war so dunkel, dass man ihn nicht mit doofen Sprüchen über Rothaarige nerven konnte. Und selbst wenn, hätte er wohl einfach darüber gelacht, denn so war er eben. Neve krümmte sich innerlich und schämte sich für ihren Neid.
Sie musste ihm allerdings zugutehalten, dass er ihr gegenüber niemals auch nur ein abfälliges Wort über ihr Gewicht verloren hatte. Und wenn sie als Kind geweint hatte, weil ihr aufbrausender Vater sie wieder einmal angebrüllt hatte (und weil Neve eine richtige Heulsuse gewesen war), dann hatte Douglas für sie zum Trost Plätzchen aus der Plätzchendose geklaut. Außerdem war es bestimmt nicht lustig, mit Charlotte verheiratet zu sein und die Londoner Zweigstelle von Slater & Son General Builders zu leiten. Laut ihrem Vater (der es ihrer Mutter gesteckt hatte, die es wiederum Celia erzählt hatte, die es nicht erwarten hatte können, es Neve weiterzutratschen) stellte sich Douglas ziemlich dämlich an, weshalb man Onkel George aus Sheffield gebeten hatte, nach London zu kommen, damit er ein Auge auf die Vorgänge hier hatte.
Neve kam zu dem Schluss, dass Douglas eigentlich gar nicht so übel war, und als hätte er ihre Gedanken gelesen, hörte er auf, Prognosen bezüglich der Erfolgschancen von Arsenal im FA -Cup aufzustellen, und streckte beide Daumen hoch. » Erstklassiges Futter, Schwesterherz. Und dein Typ ist auch gar nicht so übel.«
» Tja, ich mag ihn«, sagte Neve milde, worauf Max sie anlächelte, als wäre das ein Insiderwitz, dessen Pointe nur sie beide kannten.
» Du bist so ruhig heute«, stellte er fest. » Alles okay?«
» In der Gegenwart von Douglas und mir kommt Neve selten zu Wort«, sagte Celia. » Und wenn dann auch noch Mum mit von der Partie ist, hat sie überhaupt keine Chance mehr. Mum redet wie ein Wasserfall. Dad sagt immer, wenn wir drei aufeiandertreffen, braucht man Ohrstöpsel.«
» Ja, er sagt oft tagelang nicht mehr als zehn Wörter. Weißt du noch, die Fahrt nach Morecambe, Celia?«, sagte Douglas.
Sie verdrehte die Augen. » Na, klar. Ich bin immer noch der Meinung, wir hätten den Fall beim Kinderschutzbund melden sollen.«
» Was ist denn auf der Fahrt nach Morecambe passiert?«, wollte Max wissen, und jetzt verdrehte Neve die Augen.
» Es ist eine dieser Geschichten, die total langweilig sind, wenn man sie nicht selbst miterlebt hat. Ich war dabei, und ich fand es ehrlich gesagt gar nicht sooo lustig.«
» Ja, weil du im Auto bleiben durftest«, erinnerte Douglas seine Schwester. » Also«, begann er, zu Max gewandt, » wir saßen in unserem Ford Mondeo und waren total überdreht, weil wir auf dem Weg in den Urlaub waren. Neve saß zwischen Celia und mir, mit ungefähr fünfzig Büchern…«
» Sie hat damals immer und überall diese Chalet-School- Romane gelesen, die in einem Mädcheninternat spielen…«
» Und Celia und ich haben irgendwelche Kinderspiele gespielt. Ich sehe was, was du nicht siehst; schwarze und weiße Autos zählen…«
» Ihr zwei habt euch von der ersten Minute an gezankt«, warf Neve ein. Bis jetzt nahm sich die Schilderung wie prophezeit ziemlich langweilig aus. » Und Mum hat sich alle fünf Sekunden umgedreht und gebrüllt:
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