Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was sich kusst das liebt sich

Was sich kusst das liebt sich

Titel: Was sich kusst das liebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manning Sarra
Vom Netzwerk:
das Herz zusammenzog, und lehnte die Stirn an ihre Schulter. » Es sind die kleinen, unscheinbaren Dinge, die man als selbstverständlich hinnimmt und die einem dann am meisten fehlen.«
    Neve umklammerte seinen angespannten Körper. » Du kannst ruhig zugeben, dass sie dir fehlt.«
    » Sie war immer so wütend. Auf meinen Vater, weil er sie im Stich gelassen hat, und auf mich auch. Sie hat sich oft ausgemalt, was für ein tolles, erfüllendes Leben sie führen könnte, wenn sie mich nicht am Hals hätte.« Max rieb sich die Augen und schluckte schwer. » Solange meine Großmutter noch gelebt hat, war es nicht so schlimm, aber nach ihrem Tod wurde meine Mutter immer noch depressiver. Dass ich mit sechzehn nach London gegangen bin, war die beste Entscheidung meines Lebens. Aber wenn ich damals gewusst hätte, dass sie nur noch zwei Jahre zu leben hat, wäre ich geblieben. Ich hätte für sie da sein müssen.«
    » Aber das konntest du nicht wissen, Max. Und es war bestimmt beruhigend für sie zu sehen, dass du auf eigenen Füßen stehst und für dich selbst sorgen kannst.« Neve wusste nicht, was sie noch sagen sollte, um ihn zu trösten, also küsste sie ihn stattdessen. Es war ein ungeschickter Kuss, bei dem sie zuerst mit den Nasen kollidierten, was Max zum Lächeln brachte, und Neve spürte, wie die Anspannung langsam aus seinem Körper wich, wie Luft aus einem kaputten Fahrradreifen.
    » Also, versöhne dich mit deinem Dad«, riet er ihr. » Du sollst nicht auch mit dieser Reue leben müssen. Ist nämlich ganz schön nervig.«
    » Okay, ich werde mal meine Mum anrufen und sie fragen, wie es aussieht.« Es hatte auch sein Gutes, eine Mutter zu haben, die stets ihre Nase in anderer Leute Angelegenheiten steckte. Neve versuchte, die Achseln zu zucken, was sich als überraschend schwierig entpuppte, wenn man jemanden im Arm hielt. » Es klingt blöd, aber ich bin irgendwie sogar froh, dass er es gesagt hat. Es war dringend nötig, aber ich wünschte trotzdem, es wäre nicht von ihm gekommen.«
    Sie drehte sich um. Jetzt war Max wieder mit dem Umarmen an der Reihe, und sie schalt ihn nicht dafür, dass er eine Hand auf ihren Bauch legte. » Klingt, als wärt ihr euch davor ziemlich nah gewesen«, ermunterte er sie.
    Und das waren sie auch gewesen. Sie hatten zusammen schweigen können… Eine Art von Schweigen, die pures Gold gewesen war. » Während ich in Oxford war, kam er öfter mal zu Besuch. Er hat mich zum Mittagessen in ein Restaurant am Flussufer eingeladen, und da saßen wir dann, ich mit irgendeinem Roman, er mit einer Ausgabe der Verbraucherschutz-Zeitschrift Which?, und wir haben kein Wort geredet. Das waren die einzigen Momente, in denen ich mit mir und meinem Leben zufrieden war. Er gab mir das Gefühl, dass er mich liebte, ohne über mich zu urteilen. Deshalb habe ich mich so verraten gefühlt, als er das dann gesagt hat, so, wie er es gesagt hat.«
    Max versuchte nicht, sie mit einem Kuss zu trösten. Er umarmte sie auch nicht fester, sondern malte mit den Fingern bedächtig konzentrische Kreise auf ihren Bauch. Sie lagen eine Weile schweigend da, dann räusperte er sich und sagte: » Normalerweise regt es meine Interviewpartner zum Weiterreden an, wenn ich nichts sage.«
    Neve musste kichern. » Entschuldige, aber für heute reicht es mir mit den Gesprächen über familienbedingte Psychosen.«
    » Das schaffst auch nur du, zu nachtschlafender Zeit mit solchen Wörtern um dich zu werfen«, brummelte Max und legte sich etwas anders hin, damit Neve wieder die Fußsohlen an seine Schienbeine drücken konnte. » Mann, ich bin richtig fertig nach dieser ganzen Gefühlsduselei.«
    » Ich auch. Wir sollten jetzt schlafen.« Eigentlich hätte Neve erschöpft sein müssen nach diesem anstrengenden Tag, aber als Max die Hand unter ihr T-Shirt schob und sie seine warme Handfläche auf ihrer nackten Haut spürte, kehrte das Verlangen von vorhin zurück und drängte sie, etwas zu unternehmen. Zum Beispiel, sich an Max zu pressen oder den BH auszuziehen, damit sie unauffällig den Busen an seinem Arm reiben konnte.
    » Ja… schlafen…« Max klang, als würde er bereits eindösen. Als hätte sich sein Daumen nur rein zufällig in den Gummibund ihrer Schlafanzughose verirrt.
    Jetzt war Neve nicht mehr kalt, sondern unerträglich heiß. Sie schloss die Augen, aber das verstärkte das Verlangen bloß, wahrscheinlich, weil sich ihre Sinne auf diese Weise ganz auf Max’ Hand konzentrierten. Ihr war, als würde sie nur

Weitere Kostenlose Bücher