Was sich kusst das liebt sich
sich in einem fremden Land. Die Landschaft wirkte wilder und rauer als in Südengland, und die Ortsnamen– Rusholme, Cheadle Hulme, Wythenshawe– klangen exotisch und mystisch und erinnerten sie an William Blakes düsteres Gedicht von den satanischen Mühlen.
Max war fast die ganze Fahrt über ruhig und ernst gewesen, doch als er nun auf den Parkplatz des Daisy Nook Country Park bog, grinste er auf einmal. » Ich hoffe mal, dein Kater hält dich nicht von einem ausgiebigen Spaziergang mit Ausblick auf den Fluss ab?«
Ein ausgiebiger Spaziergang war genau das, was sie jetzt brauchte. Blieb nur zu hoffen, dass er auch Max einen ordentlichen Endorphinschub verpassen würde. Die Hauptattraktion des Parks bildete der Fluss Medlock, der zwischen Oldham und Ashton-under-Lyne durch ein bewaldetes Tal floss. Sie holten sich eine Landkarte im Infocenter und machten sich dann auf den Weg zu dem Fußpfad, der in gut 25Metern Höhe über den Waterhouses Aquädukt führte.
Neve spürte, wie die letzten Reste ihres Katers von der Brise davongetragen wurden. Sie atmete tief die klare Luft ein und wusste, sie würde sich an diesen Tag zurückerinnern, wann immer ihr ein derartiger torfiger Geruch in die Nase stieg. Sie lehnten sich an die Mauer des Aquädukts, um den Kindern zuzusehen, die unter ihnen im Fluss paddelten. Die Kinder in dieser Gegend schienen ziemlich abgehärtet zu sein, denn es war zwar ein schöner Tag Ende April, aber noch recht frisch, wenn die Sonne hinter den Wolken verschwand.
Sie wechselten kaum drei Wörter, während sie vom Aquädukt zum Kanal hinunterstiegen, um dem Spazierweg zu folgen. Hin und wieder berührten sich ihre Arme, und Neve verwünschte sich dafür, dass sie je die Anti-Händchenhalten-Regel eingeführt hatte, denn auf einmal erschien ihr die imaginäre Grenze, die sie überschreiten würden, wenn sie einander an den Händen hielten, nicht mehr so wichtig. Wie gut, dass sie Max’ weichen, warmen, nach Haargel riechenden Pulli trug; das war fast so, als würde er sie umarmen, selbst wenn er mal kurz vorausging, um zu sehen, ob hinter der nächsten Kurve nicht zufällig ein Café war.
Nach einer Weile zogen dichte Wolken auf, und die Sonne verschwand ganz. Kaum hatte Max vorgeschlagen, zum Auto zurückzugehen, da fielen auch schon die ersten dicken Tropfen. Aus ein paar Tropfen wurde im Handumdrehen ein regelrechter Wolkenbruch, der sie zwang, unter ein paar Bäumen Schutz zu suchen.
» Das ist bloß ein kurzer Schauer«, sagte Max und zog sie an der Kapuze nach hinten, weil es auf ihre Schuhe regnete. » Hoffe ich jedenfalls.«
Der heftige Guss wühlte den Boden auf, und ein intensiver, erdiger Geruch hing in der Luft. Es sah nicht so aus, als würde es je wieder aufhören zu regnen, und es wurde auch schon allmählich dunkel. Neve zog die Landkarte aus der Tasche und betrachtete sie mit zusammengekniffenen Augen. » Weißt du noch, auf welchem Parkplatz du den Wagen abgestellt hast?«
» Ich glaube, an der Stannybrook Road?« Es klang nicht wie eine Antwort, sondern eher, als würde er raten. » Du meinst, wir sollen rennen?«
» Hast du eine bessere Idee?«
Hatte er nicht, also zählte Neve bis drei, und sie spurteten los. Es war nicht leicht, im Laufen eine Karte zu lesen, noch dazu bei diesem Wetter. Sie bogen zweimal falsch ab und endeten beide Male wieder am Ufer des Sees in der Mitte des Parks, bis Max ein Schild entdeckte, das ihnen den Weg zum Infocenter wies. Von dort legten sie dann mit ihren klatschnassen, schlammigen Turnschuhen den Weg zum Parkplatz zurück.
» Meine Jeans scheuern beim Gangschalten«, beklagte sich Max, während der Mini in Richtung Hauptstraße kroch. » Und du tropfst mein Auto nass.«
» Du tropfst ganz genauso«, bemerkte Neve, dann bückte sie sich, um Schuhe und Socken auszuziehen, damit sie die Füße auf das Armaturenbrett legen konnte. » Du weißt, was dieser Regen bedeutet, oder?«
» Dass wir an einer Lungenentzündung sterben werden?«
» Nein. Für die Hochzeit, meine ich. Ich habe gestern gesehen, wie das Partyzelt aufgestellt wurde, und Mandy hat mir die Stelle am See gezeigt, wo sie die Hochzeitsfotos machen wollte.« Neve warf ihm von unten herauf einen Blick durch die Wimpern zu. » Ich glaube, dieser Regen ist die gerechte Strafe dafür, dass sie dich ausgeladen hat, meinst du nicht auch?«
Kapitel 29
Max begann, sich aus den Kleidern zu schälen, noch ehe Neve die Tür zu ihrer Suite geöffnet hatte. Sie überließ ihn
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