Was sich kusst das liebt sich
keinen Nutzen.«
Er knallte die Tür hinter sich zu, und Neve fürchtete einen kurzen Moment, der letzte Bissen Toast würde ihr wieder hochkommen, aber er blieb dann doch unten, sodass sie auf dem Sofa sitzen bleiben und in Tränen ausbrechen konnte.
Sie hatte sonst nicht so nah am Wasser gebaut, aber nach den Exzessen der vergangenen Nacht fühlte sie sich etwas labil. Sie weinte, weil Max verletzt und wütend war und weil sie stellvertretend für ihn ebenfalls verletzt und wütend war und nicht wusste, was sie tun sollte, um ihn zu trösten. Und selbst wenn sie es gewusst hätte, war nicht gesagt, dass er sie nahe genug an sich heranlassen würde.
Wenn sie ihr iPhone nicht verloren hätte (wahrscheinlich führte jemand damit in diesem Augenblick ein sehr langes, sehr teures Auslandsgespräch), dann hätte sie jetzt eine ganze Menge Leute anrufen und um Rat fragen können: Celia, ihre Mum, Philip, Chloe oder Rose, ja, selbst Gustav, der ihr nach einem kurzen Vortrag über den unterschätzten Kaloriengehalt von Alkohol vermutlich raten würde, laufen zu gehen, weil sie sich danach bestimmt besser fühlen würde. Und genauso sicher, wie sie den Fett-, Kalorien- und Kohlehydratgehalt von vierhundert verschiedenen Nahrungsmitteln kannte, wusste sie auch, dass ihr Vater, wenn sie ihn jetzt anrief, alles liegen und stehen lassen würde, um sie abzuholen.
Sie hatte all diese Menschen in ihrem Leben. Max dagegen kannte zwar Hunderte von Leuten, die er seine Freunde nannte, aber wenn es hart auf hart ging, wenn es ihm mal schlecht ging, hatte er niemanden, der für ihn da war, abgesehen von ihr und einem seelisch angeknacksten Staffordshire Bullterrier. Das war sein soziales Sicherheitsnetz. Ein Mädchen und ein Hund. Er hatte mehr verdient.
Als er über zwei Stunden später zurückkehrte, hatte Neve nebst Guardian, City Life und sämtlichen Info-Broschüren des Hotels auch einen Führer über die örtlichen Sehenswürdigkeiten gelesen und sich eine Folge von Das perfekte Dinner angeschaut. Sie war nach wie vor blass, und ihre Augen waren noch verquollener als vorher, aber sie hatte sich wieder einigermaßen gefangen.
» Du hast dich angezogen«, stellte Max fest, während er die Tür hinter sich schloss. » Hast du auch schon gepackt?«
» Nein.« Sie hatte sich eine lange Rede zurechtgelegt, aber als er nun mit demselben kalten, abweisenden Gesichtsausdruck wie vorhin vor ihr stand, sprang sie einfach auf, um ihn fest zu umarmen.
Er versuchte sogleich, sich aus ihrem Griff zu winden. » Was soll das?«
» Sei still und lass dich umarmen«, murmelte sie. Es fühlte sich eher an, als würde sie ihn am Weglaufen hindern.
» Lass den Blödsinn. Du brauchst mich nicht zu umarmen«, sagte er spröde und stand stocksteif da, mit hängenden Armen, während sie ihm den Rücken streichelte und ihm kleine Küsse auf die Wangen gab.
Es war, als hielte sie einen Betonpfeiler im Arm. Schön langsam war sie mit ihrem Latein am Ende. » Wir sind Freunde. Richtige Freunde, nicht nur Pfannkuchenfreunde«, sagte sie eindringlich. » Und deshalb mache ich mir Sorgen um dich, und ich will, dass du glücklich bist, ob es dir nun passt oder nicht, also finde dich damit ab, ja?«
Max verzog den Mund, als wollte er ihre Aussage als dummes Geschwätz abtun, dann murmelte er etwas, das sie nicht verstehen konnte.
» Was hast du gesagt?«
» Lass mich, bitte.« Es klang, als würde er damit weit mehr meinen als nur, dass sie jetzt von ihm ablassen sollte.
Neve lockerte ihren Griff, ließ jedoch die Hände auf seinen Hüften, weil es ihr plötzlich unheimlich wichtig vorkam, die Verbindung zwischen ihnen aufrechtzuerhalten. » Was hast du gerade gesagt?«
Er sah sie nicht an, sondern starrte auf einen Punkt an der Wand. » Ich sagte, du würdest nicht mit mir befreundet sein wollen, wenn du wüsstest, wie ich wirklich bin.«
» Wie bist du denn wirklich?«, fragte Neve, obwohl ihr vor der Antwort graute.
Jetzt wand er sich doch aus ihrem Griff, als könnte er es nicht ertragen, von ihr berührt zu werden. Er ging zum Fenster. » Ich bin total krank«, sagte er schroff. » Mein ganzes Leben ist total krank, und auf diese Pfannkuchensache habe ich mich nur eingelassen, weil meine Therapeutin es für eine gute Idee hielt.«
Jetzt hatte Neve endlich die Erklärung, nach der sie so lange gesucht hatte. Den Grund dafür, dass sich jemand wie Max mit jemandem wie ihr abgab, selbst, wenn es nur zum Schein war. Sie stellte überrascht fest,
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