Was sich kusst das liebt sich
dass seine Enthüllung sie nicht sonderlich aus der Fassung brachte. Im Moment gab es Wichtigeres.
Sie sank auf den weichen Lederwürfel, den sie vorhin als Fußstütze verwendet hatte. » Warum bist du in Therapie?«
» Weil mit mir etwas nicht stimmt«, stieß er mit erstickter Stimme hervor und schluckte schwer, aber immerhin redete er mit ihr. Sie rührte sich nicht vom Fleck. » Ich habe einen tollen Job und eine coole Wohnung, und ich gehe jeden Abend auf irgendeine tolle Party, wo ich haufenweise tolle, berühmte Leute treffe, von denen jeder mein bester Kumpel ist, aber ich fühle mich total leer. Als würde das alles nicht das Geringste bedeuten. Als wäre es nicht echt.«
Neve wusste nicht, was sie darauf sagen sollte, also machte sie nur » Hmm«, um ihm zu signalisieren, dass sie zuhörte.
» Und ich bumse alles, was mir in die Quere kommt, weil ich es nicht ertragen kann, allein zu sein. Meine Therapeutin meint, ich würde keine Beziehungen eingehen, weil ich Angst vor Intimität habe. Das Problem ist nur, dass ich gar nicht weiß, was das ist, Intimität. Und zu dieser Therapeutin gehe ich auch nur, weil ich mit Shelly geschlafen habe, und weil Mandy und Kelly stinksauer auf mich waren, und weil Bill mir ins Gewissen geredet und sich aufgeführt hat, als wäre er mein Vater. Er hat gesagt, ich müsste dringend zur Vernunft kommen, weil so etwas unter meinem Niveau ist.«
» Das ist es auch«, sagte Neve leise, während sie versuchte, das Gehörte zu verdauen.
» Und außerdem hätte ich beinahe meinen Job verloren, weil ich mit einer der Praktikantinnen bei Skirt geschlafen habe, ohne zu ahnen, dass sie mit dem Sohn unseres Geschäftsführers verlobt ist, und meine Chefin hat gedroht, sie würde mich feuern, wenn ich mir nicht professionelle Hilfe suche. Deshalb bin ich jetzt ›in Therapie‹…« Er drehte Neve noch immer den Rücken zu, aber sie sah, wie er die Hand hob, um die Gänsefüßchen anzudeuten. » Und die Therapeutin versucht, Schicht um Schicht abzutragen und zum Kern meiner Persönlichkeit vorzudringen, aber ich habe das Gefühl, der existiert gar nicht. Ich bin bloß eine stilvolle Fassade. Dahinter ist nichts. Gar nichts.«
» Ach, komm schon; du weißt, dass das nicht stimmt.« Neve stand auf und machte ein paar Schritte auf ihn zu, bis sie bemerkte, dass seine Schultern zuckten. Es klang nicht, als würde er weinen, aber er war sichtlich nahe daran, und Neve wusste, dass er nur deshalb nicht in Tränen ausbrach, weil sie sich im Raum befand. » Ich kenne dich, und ich weiß, dass das mit uns nur auf Zeit ist, aber je besser ich dich kennenlerne, desto lieber mag ich dich.«
Max hustete und schniefte. » Das sagst du nur, weil du ein netter Mensch bist und weil du mich trösten willst. Aber unsere Beziehung ist nicht echt. Das einzig Echte in meinem Leben waren die McIntyres, und ich habe mir eingeredet, dass ich ihnen etwas bedeute. Dass ich tatsächlich der Sohn bin, den sie nie hatten… Aber das war ein Trugschluss.«
» Nein«, protestierte Neve, warf ihre Bedenken über Bord und stürzte zu ihm. » Das ist nicht wahr. Ich war mein Leben lang eine Zuschauerin, und ich bin eine Expertin, wenn es darum geht, andere zu beobachten. Als ich dich neulich mit Bill und Jean gesehen habe, habe ich deutlich gespürt, dass du ihnen sehr wohl etwas bedeutest, und… Mir bedeutest du auch etwas, Max. Sehr viel sogar.«
Sie schlang die Arme um ihn und drückte ihn mit aller Kraft an sich, den Kopf an sein Schulterblatt geschmiegt. Diesmal wehrte er sich nicht, sondern lehnte sich an sie. » Ich weiß gar nicht, wie das ist, wenn einem jemand etwas bedeutet.«
» Das weißt du sehr wohl«, widersprach sie. » Nachdem du endlich aufgehört hattest, den charmanten, wortgewandten Verführer zu mimen, hast du dich mir gegenüber unfassbar liebenswürdig und geduldig verhalten. Ich weiß, es ist nicht immer einfach, mit mir auszukommen, aber du hast es trotzdem durchgezogen. Du hast dich auf unsere Pfannkuchenbeziehung eingelassen, und darauf solltest du stolz sein, selbst wenn du es nur deshalb getan hast, weil deine Therapeutin dir dazu geraten hat.«
Max tätschelte Neves Hände, die auf seinem Bauch lagen. » Ich soll stolz darauf sein, dass ich es zwei Monate lang in einer Pseudo-Beziehung mit einer Frau ausgehalten habe, die in einen anderen Mann verliebt ist?«
Neve drehte ihn herum, weil sie ihm ins Gesicht sehen wollte. Er hatte tatsächlich geweint; seine Augen waren rot
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