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Was sich kusst das liebt sich

Was sich kusst das liebt sich

Titel: Was sich kusst das liebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manning Sarra
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sie zehn Minuten zu früh dran, und wie immer war ihr Vater bereits da. Er stand vor dem Kino und schüttelte den Kopf, während ihm ein Obdachloser irgendeine traurige Geschichte erzählte, in der Hoffnung, ihm damit fünfzig Pence aus dem Kreuz leiern zu können. Neve schob sich am Einkaufswagen des Obdachlosen vorbei, der bis oben hin mit vollen Plastiktüten beladen war.
    » Zum allerletzten Mal: Zieh Leine und such dir einen Job«, bellte Barry Slater gerade. » Ach, da bist du ja«, sagte er, als er Neve bemerkte. » Lass uns reingehen, ich will die Vorschauen nicht verpassen.«
    Nach einer kurzen Umarmung, die eigentlich eher eine Kollision von Ellbogen und Nasen war, betraten sie das Kino. Natürlich hatte ihr Vater die Tickets schon gekauft, und nun schickte er Neve auf die Toilette ( » Deine Mutter geht nämlich immer erst zehn Minuten nach Beginn des Films aufs Klo, und dann löchert sie mich bis zum Schluss mit Fragen.«) Bis sie wieder herauskam, hatte er zwei Flaschen Wasser und eine kleine Tüte Popcorn besorgt.
    » Gesalzenes«, sagte er, während sie auf Saal eins zusteuerten. » Darfst du das essen? Und ich? Wegen meines Cholesterinspiegels, meine ich.«
    » Ich werde mir eine Handvoll genehmigen, aber du solltest nichts essen, das viel Natrium enthält.« Neve zwang sich, ihren Vater ganz bewusst zu betrachten, statt wie sonst gleich wieder den Blick abzuwenden. Er sah gut aus, braun gebrannt und mit merklich weniger Falten als beim letzten Mal, und auch seine Wampe war seitdem beträchtlich geschrumpft. » Mum hat erzählt, dass du jetzt gesünder lebst. Scheint ja Früchte zu tragen.«
    Ihr Vater tätschelte sich den Bauch. » Das Bier fehlt mir«, brummte er. Das bedeutete dann wohl, dass die Unterhaltung über seinen Cholesterinspiegel beendet war, und wenn sie erst auf ihren Plätzen saßen, galt absolutes Sprechverbot.
    Während sie auf den Beginn des Films wartete, fragte sich Neve, was sie eigentlich hier suchte. Ihr Vater wirkte kein bisschen bedrückt wegen all der Dinge, die er gesagt hatte– und auch nicht, weil er so manches nicht gesagt hatte. Vielleicht dachte er ja dasselbe über sie. Bei Barry Slater war das schwer zu sagen.
    Neunzig Minuten später war Neve schon viel besser gelaunt. Es war alles da gewesen: Jennifer Anistons glänzendes Haar, ein attraktiver männlicher Hauptdarsteller mit markanten Gesichtszügen, eine leicht verrückte beste Freundin, eine nicht zu sehr auf Sex fixierte Handlung und am Schluss ein Kuss im frühlingshaften Central Park. Neve wusste, sie sollte sich dringend mal wieder einen Film aus Osteuropa ansehen, aber eine gute romantische Komödie war ihr allemal lieber.
    » Na, hat’s dir gefallen, Dad?«, fragte sie auf dem Weg nach draußen. Ihr Vater legte ihr eine Hand an den Ellbogen, für den Fall, dass sie auf der Treppe stolpern sollte.
    » Ja, war ganz okay. Aber mir ist wirklich schleierhaft, was Brad Pitt geritten hat, diese Frau zu verlassen.«
    » Tja, man steckt eben nicht drin«, murmelte Neve, die keine Lust hatte, das Thema weiter zu vertiefen.
    » Das Auto steht um die Ecke. Dachte, wir könnten ja bei Marco essen«, sagte ihr Vater, und Neve stellte sich auf zwei weitere angespannte Stunden mit ihm ein.
    Auf dem Weg nach Finsbury Park herrschte Schweigen, unterbrochen von gelegentlichen wüsten Beschimpfungen, mit denen Barry Slater die anderen Verkehrsteilnehmer bedachte. Auch die Mütter der betreffenden Fahrer kamen nicht ungeschoren davon. Neve betätigte derweil immer wieder ein imaginäres Bremspedal.
    Ihr Vater entspannte sich merklich, als sie die Tür zum Restaurant öffneten und ihnen der warme Duft nach Knoblauch und frischem Brot entgegenschlug. Marco, der Besitzer, eilte ihnen sogleich entgegen, um sie willkommen zu heißen.
    » Signor Slater! Lange nicht gesehen.« Sie klopften einander mannhaft auf den Rücken und steuerten auf einen Tisch am Fenster zu, an ihren ehemaligen Nachbarn Mr und Mrs Chatterjee vorbei, die ebenfalls freundlich grüßten.
    Spätestens als Neve ihrem Vater versicherte, sein Herz könne ohne Weiteres eine Pizza verkraften, solange sie nicht zu dick mit Käse belegt war, war er bestens gelaunt, und sobald sie ein Glas Rotwein in der Hand hielt, war auch sie davon überzeugt, dass alles gut werden würde. Anfangs waren sie beide etwas verunsichert gewesen, aber das war ja auch kein Wunder, nachdem sie drei Jahre lang nicht besonders viel miteinander geredet hatten.
    Sie schenkte ihrem Vater ein

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