Was sich kusst das liebt sich
dann kann ich damit leben. Ich habe ihn ohnehin nie darum gebeten, sie zu lesen«, brummte Neve. » Und das werde ich ihm auch sagen. Oder zumindest werde ich es sehr laut denken.«
» Du bist ja ziemlich aggressiv heute, Neve. Was um alles in der Welt ist mit dir los?«
Diesmal geriet das geheimnisvolle Lächeln wirklich zu einem verschmitzten Grinsen. » Eine Dame plaudert nie aus dem Nähkästchen.« Sie warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. » Ich schätze, ich sollte es hinter mich bringen. Tu mir einen Gefallen, und denk über das nach, was ich dir gesagt habe, ja? Du verdienst einen Partner, der dich glücklich macht.«
Neve war klar, dass es noch viele Gespräche dieser Sorte bedurfte, bis sich Philip ihren Rat zu Herzen nahm und seinem Dasein als Fußabstreifer ein Ende setzte. Es war schwierig, sich zu verändern, aber es war nicht unmöglich, und wenn sie ihn immer wieder sanft in die richtige Richtung schubste, konnte sie ihn vielleicht eines Tages dazu animieren, sich aus Clives Klauen zu befreien– und auch gleich noch seiner fiesen Ex einen Tritt in den Allerwertesten zu verpassen, wenn er schon dabei war.
Sie stellte sich vor, wie der neue Philip auf der Bühne eines Schwulenklubs tanzte, Single, selbstsicher und von muskelbepackten Männern bewundert, und die Vision entlockte ihr ein Grinsen, das sich hartnäckig in ihrem Gesicht hielt, als sie den Klub betrat und auf Jacob Morrison zusteuerte, der an einem Tisch in einer Nische des Speisesaals saß. Wahrscheinlich saß er immer dort, damit es nicht so viele Zeugen gab, wenn die ihrer Illusionen beraubten Möchtegern-Schriftsteller in Tränen ausbrachen.
Jacob fummelte an seinem BlackBerry herum und würdigte Neve keines Blickes, aber sie war es ja bereits gewöhnt, von ihm ignoriert zu werden. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie vergessen hatte, die Converse gegen ihre Stöckelschuhe auszutauschen. Egal; er hatte sie schließlich nicht hergebeten, um sich mit ihr über ihr Schuhwerk zu unterhalten.
Neve bestellte eine Kanne Tee und beschloss dann, den Stier bei den Hörnern zu packen. » Jacob? Tut mir leid, aber ich muss nachher noch zu einem anderen Termin.« Das klang besser als » Ich sehe mir nachher mit meinem Dad eine romantische Komödie im Kino an.«
» Oh, entschuldigen Sie. Ich verbringe mehr Zeit beim Twittern als mit meiner Arbeit.« Jacob starrte noch immer wie hypnotisiert auf sein BlackBerry und klang nicht im Mindesten verärgert darüber, dass Neve unaufgefordert das Gespräch eröffnet hatte. » Wie geht es Ihnen? Sie sehen gut aus.«
» Es geht mir auch gut«, antwortete Neve vorsichtig. War das eine Fangfrage? Würde er gleich herausplatzen, dass es ihr unmöglich gut gehen konnte, wenn sie ihm sechs grauenhaft geschriebene Kapitel geschickt hatte, die inhaltlich, stilistisch und vom Aufbau her die reinste Frechheit waren?
Doch nein, er schaltete das BlackBerry aus, dann hob er den Kopf und lächelte sie an.
» Ich wusste gar nicht, dass Sie eine Brille tragen«, platzte Neve beim Anblick des schwarzen Ungetüms auf seiner Nase heraus, das ihn gleich viel weniger einschüchternd wirken ließ. Er fasste sich mit einer nervösen Geste an die Brille. » Äh, im Archiv trage ich immer Kontaktlinsen, obwohl sie meine Augen reizen«, gestand er etwas konsterniert. Das erklärte wenigstens, wieso er immer so grimmig guckte.
» Und warum?«, erkundigte sich Neve neugierig.
Jacob Morrison, der Superstar unter den Literaturagenten, wand sich ein wenig. Wenn man sich den Designeranzug und den teuren Haarschnitt und das eckige Kinn wegdachte, sah er aus wie ein kleiner Junge, den man dabei erwischt hat, wie er sich aus der Plätzchendose bedient. » Ich habe nach dem Studium in Cambridge eine Weile am LLA gejobbt«, erzählte er schließlich, » und George, also Mr Freemont, saß einen Schreibtisch weiter und verbrachte den Großteil seiner Arbeitszeit damit, mich wegen meiner dicken Brillengläser aufzuziehen. Und weil ich mich beim Katalogisieren so dumm angestellt habe, und bei allem anderen auch.«
» Er war also schon damals so«, stellte Neve fest.
» Noch weit schlimmer. Mit dem Alter hat er nachgelassen.« Jacob grinste. » Aber Rose hat mich immer verteidigt, und einmal habe ich etwas absolut Unaussprechliches mit seinem Tee angestellt. Der Job hatte also auch gute Seiten.«
» Was haben Sie denn mit seinem Tee angestellt?«
Jacob schüttelte den Kopf. » Dieses Geheimnis nehme ich mit ins Grab, es sei denn, Sie
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