Was sich kusst das liebt sich
Duttkissen ein. Sie rang stattdessen die Hände. » Ein ganzes Buch! Wie dick soll es denn überhaupt werden?«
» Okay, Sie sollten mal tief durchatmen, sonst fangen Sie gleich an zu hyperventilieren. Ich bestelle Ihnen ein Glas Wasser.« Jacob winkte einem Kellner.
Er wartete ab, bis Neve mit festem Griff ein Glas Mineralwasser umklammerte, dann fuhr er fort. » Stellen Sie sich einfach vor, Sie schreiben Ihre Magisterarbeit, nur mit viel weniger Literaturtheorie.«
Neve war mit den schlimmsten Befürchtungen zu dieser Besprechung gekommen, und sie wusste nicht recht, wie sie reagieren sollte, nachdem er ihr nun grünes Licht für ihre Biografie gegeben und ihr versichert hatte, dass er sie vertreten würde. Sie atmete flach und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Irgendetwas .
» Danke«, hauchte sie schließlich. » Vielen Dank. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was das für mich bedeutet.«
» Nun, es bedeutet für Sie, dass Sie sich in Ihrer Freizeit hinsetzen und ein Buch schreiben werden, und falls ich es bei keinem Verlag unterbringe, dann werden Sie nie auch nur einen Penny dafür sehen.«
» Das Geld ist mir egal«, sagte Neve, und es stimmte. Es reichte ihr voll und ganz, dass Jacob Morrison an sie und an ihre Fähigkeiten als Schriftstellerin glaubte. Das war mehr, als sie erwartet hatte. » Oh, Gott, von heute an könnte ich in jedem Gespräch ganz beiläufig ›meinen Agenten‹ erwähnen…« Sie verstummte, denn Jacob starrte sie an, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank. Sie war in der Tat etwas neben der Spur. » Äh, was ich natürlich nicht tun würde. Ich meine, das wäre ja total albern.«
» Sie sagen es. Ich werde mein Büro bitten, einen Vertrag auszuarbeiten, aber wir könnten ja schon mal darauf einschlagen, ehe wir über die logistischen Details reden.«
Dann diskutierten sie noch eine Stunde lang angeregt die viele Arbeit, die sich Neve soeben aufgehalst hatte. Sie musste nicht nur schreiben, sondern zum Beispiel auch die Alumni-Vereinigung in Oxford kontaktieren, um herauszufinden, welche von Lucys Zeitgenossen noch lebten, oder sich bei der Dame einschleimen, die für das persönliche Archiv der Familie Holden zuständig war, um Zugang zu den Privatdokumenten zu erhalten. Oder den Kulturattaché der Russischen Botschaft anrufen, um Licht ins Dunkel der zwei Jahre zu bringen, die Lucy in Russland verbracht hatte. Ein geradezu entmutigender Berg an Aufgaben, aber zugleich höchst aufregend.
Und das Beste war, dass Jacob seinen Einfluss geltend machen wollte, um durchzusetzen, dass sie nur noch vier Tage die Woche am LLA arbeiten musste– bei gleichbleibendem Gehalt, weil das Archiv von der Publikation von Lucy Keeners Werken profitieren würde und weil sich Neve ohnehin » an der Lohnuntergrenze bewegte«.
Sie malten sich gerade aus, wie sich Kate Winslet in der Hauptrolle machen würde, für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Biografie irgendwann verfilmt wurde, als Neve zufällig einen Blick auf ihre Armbanduhr warf und feststellte, dass sie bereits seit zwei Stunden hier war.
» Ach, herrje, so spät schon!«, rief sie bedauernd und schob ihren Stuhl zurück. » Ich muss um fünf in Camden sein.«
Jacob nickte und zückte sein BlackBerry. » Meine Sekretärin wird sich per Mail mit Ihnen in Verbindung setzen, und es wird mir eine Freude sein, George Freemont morgen anzurufen und ihm zu sagen, dass er künftig einen Tag pro Woche auf Sie verzichten muss.«
Neve, der bereits vor dem Gespräch mit ihrem Chef gegraut hatte, bedankte sich überschwänglich.
» Es wird mir eine große Genugtuung sein, glauben Sie mir.« Jacob grinste und zwinkerte ihr zu. Ein Glück, dass sie ihr Herz bereits verschenkt hatte– es wäre äußerst unprofessionell, wenn sie sich in ihren Agenten verknallen würde. » Na, dann machen Sie sich mal auf den Weg. Sie wollen doch nicht zu spät kommen.«
Kapitel 32
Neve hatte angenommen, dass sie sich auf dem Weg von Bloomsbury nach Camden Gedanken über das bevorstehende Treffen mit ihrem Vater machen würde. Stattdessen telefonierte sie eine geschlagene halbe Stunde mit Philip, wobei sie sich zusehends in eine künstliche Aufregung hineinsteigerte. Was, wenn man ihr Steine in den Weg legte, ihr den Einblick in Familiendokumente und den Zutritt zu Literaturarchiven verwehrte? Sie war so damit beschäftigt, herumzujammern, dass sie, als sie in den Parkway einbog, kurz überlegen musste, warum sie eigentlich hier war. Wie immer war
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