Was sich kusst das liebt sich
gern, aber ich finde es nicht besonders erregend, wenn sich die Frau, die unter mir liegt, ganz offensichtlich wünscht, sie wäre irgendwo anders.«
Neve wurde heiß, als hätte sie jemand in kochend heißes Wasser gestoßen. Was für eine Demütigung! Max fand, dass sie schlecht im Bett war. Tja, das war sie ja auch, und obendrein offenbar auch noch so abstoßend, dass seine Erektion flöten gegangen war. Neve versuchte, die Augen zu öffnen, aber sie zogen es vor, geschlossen zu bleiben, um die Abscheu nicht sehen zu müssen, die sich zweifellos in seinem Gesicht spiegeln würde. Es war schon schlimm genug zu hören, wie er fluchend unter der Decke hervorglitt und sich auf die Bettkante setzte, um möglichst viel Distanz zwischen ihnen zu schaffen.
Was sollte Neve unter diesen Umständen anderes sagen als: » Würdest du bitte gehen?«
» Ich habe dich gefragt, ob du es auch willst, und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder.«
» Geh jetzt, bitte.« Neve wickelte sich in die Decke und rollte sich zur Seite, damit sie Max nicht ansehen musste, als sie nun doch die Augen öffnete.
» Du hättest etwas sagen sollen. Ich hätte nie… Ich dränge mich Frauen nicht auf. Habe ich dir wehgetan?« Er war verärgert, und zu Recht. Aber Neve hörte auch noch etwas anderes aus seiner Stimme heraus: Scham, Schuldgefühle, Verunsicherung. All das empfand sie ebenfalls.
» Nein«, erwiderte sie hölzern. » Und du hast dich mir nicht aufgedrängt. Überhaupt nicht. Trotzdem musst du jetzt gehen.«
Sie hielt es nicht mehr aus, im selben Raum mit ihm zu sein, also schwang sie die Beine aus dem Bett und schnappte sich ihren Morgenmantel vom Stuhl. » Ich lass dich dann mal allein«, murmelte sie und hastete zur Tür.
Sie flüchtete sich in die Sicherheit des Wohnzimmers. Dort setzte sie sich auf ein Fauteuil und schlang die Arme um die Knie. Was für ein Reinfall! Sie hörte, wie sich Max anzog und die Treppe hinunterkam. Ihr Herz zog sich bei jedem seiner Schritte schmerzhaft zusammen. Aber er ging nicht wie erwartet direkt zur Wohnungstür, sondern blieb an der Schwelle zum Wohnzimmer stehen.
Sie hob den Kopf und wand sich unter seinem Blick, der eher nachdenklich als verärgert oder vorwurfsvoll wirkte.
» Schlimme Trennung?«, fragte Max.
Neve blinzelte ihn an. » Was?«
» Du hast gerade eine Trennung hinter dir, und da hast du dir gedacht, du rächst dich an deinem Ex, indem du dir irgendeinen x-beliebigen Kerl aufreißt und mit ihm vögelst, aber dein schlechtes Gewissen hat gesiegt.« Max lächelte schmal. » Allerdings meldet sich das Gewissen normalerweise erst zehn Minuten später und nicht schon währenddessen.«
» Du glaubst ernsthaft, ich hätte schon mal einen Freund gehabt? Eine Beziehung?« Neve schüttelte ungläubig den Kopf. Sie hatte alle Lichter angeknipst, denn die Dunkelheit ließ alles noch, nun ja, düsterer wirken, sodass Max sie nun in ihrem ganzen abgeblätterten Glanz erblickte: das verschmierte Make-up, der zeltartige Morgenmantel und ihre Waden, die, wenn sie wie jetzt die Beine angezogen hatte, noch stämmiger aussahen, als sie ohnehin waren. Und er glaubte trotzdem, dass sie vor ihm schon einmal einen Kerl im Bett gehabt hatte? » Du irrst dich.«
Max verschränkte die Arme. » Was ist es dann?«
» Ich will nicht darüber reden«, sagte Neve steif. » Würdest du bitte gehen? Jetzt, sofort.«
» Tja, ich finde dann allein raus«, knurrte er wütend. Neve konnte es ihm nicht verdenken. Sie hatte seine Wut verdient.
Einen Augenblick später erklang das Quietschen der aufschwingenden Wohungstür, gefolgt von einem Knall, als Max sie hinter sich zuwarf. Prompt fing Charlotte unten an zu toben und wie immer mit dem Besenstiel an die Decke zu klopfen, doch diesmal registrierte es Neve kaum. Sie lauschte nur den stampfenden Schritten auf der Treppe und dem Knallen der Haustür. Als sie ganz sicher sein konnte, dass er weg war, streckte sie sich auf dem Sofa aus. In ihrem Bett würde sie erst wieder schlafen, wenn sie die Bettwäsche ausgekocht hatte.
Kapitel 5
Als Neve einige viel zu kurze Stunden später erwachte, fragte sie sich kurz, wieso sie auf dem Sofa lag. Erst nach einigen Sekunden wich die selige Unwissenheit der Erinnerung an die Ereignisse der vergangenen Nacht, die sie bewogen hatten, einen großen Bogen um ihr Bett zu machen. Sie starrte auf den Teppich und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sich dort ein Loch auftun und sie verschlingen möge.
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