Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was sich kusst das liebt sich

Was sich kusst das liebt sich

Titel: Was sich kusst das liebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manning Sarra
Vom Netzwerk:
Geiste mit den Schultern zuckten und versuchten, der Situation etwas Komisches abzugewinnen, um später ihre Freundinnen damit zu unterhalten! Aber Neve wusste, dass sie keiner Menschenseele je davon erzählen würde. Sie würde das schreckliche Geheimnis mit ins Grab nehmen, und sie konnte nur hoffen, dass Max es ähnlich handhaben würde. Womöglich hielt er aber auch gerade Hof in irgendeinem Privatklub in Soho und brachte seine glamourösen, eingebildeten Freunde mit einem haarkleinen Bericht von den Ereignissen der letzten Nacht zum Lachen.
    Neve barg das Gesicht in den Händen und spürte, wie eine Welle der Scham und des Ekels sie erfasste. Als zehn Minuten später das Telefon klingelte, saß sie immer noch auf ihrem Küchenstuhl und schaukelte leicht vor und zurück.
    » Hallo?«, sagte sie argwöhnisch, weil ihre Mutter oft um diese Zeit herum anrief. Aber heute war Neve wirklich nicht in Stimmung für ihr ständiges Gejammer über das kalte Wetter in Yorkshire und darüber, wie viele Zentimeter es die vergangenen vierundzwanzig Stunden geschneit hatte.
    » Neve? Hier ist William. Wie geht es dir?« Einfach so, mit nur acht Worten, hatte er es geschafft, ihre Verzweiflung in Frohsinn zu verwandeln.
    » Gut«, japste sie und spürte, wie ihr warm wurde vor Freude. » Was für eine schöne Überraschung. Wie geht’s dir?«
    » Viel besser jetzt, da ich deine Stimme höre. Wie machst du das bloß?«
    » Keine Ahnung.« Neve widerstand der Versuchung, vor Stolz über Williams Kompliment mädchenhaft zu kichern. » Wir wollten doch erst am Sonntag telefonieren. Ist etwas passiert?«
    » Nein, nicht direkt…« William klang so verloren, dass sich ihr Herz vor Mitgefühl schmerzhaft zusammenzog. » Ich hab mich bloß mit den Fußnoten meines Artikels über Rossetti in eine furchtbare Zwickmühle gebracht. Ehrlich gesagt spiele ich mit dem Gedanken, die akademische Laufbahn sausen zu lassen und mir eine Stelle in einem Buchladen zu suchen.«
    » Ach, herrje«, flötete Neve derart zuckersüß, dass ihr selbst ganz übel wurde. » Ich wage zu bezweifeln, dass du dafür geeignet wärst. Statt Inventur zu machen, würdest du doch nur hinterm Tresen sitzen und lesen, und du würdest dich rundheraus weigern, den Kunden Bücher zu verkaufen, die in deinen Augen schlecht und literarisch wertlos sind.«
    » Wäre das bei dir etwa anders?«, fragte William belustigt, sodass Neve ihm nicht böse sein konnte.
    » Natürlich nicht. Kann ich dir irgendwie helfen? Ich meine, die Lyriker der Romantik sind nicht gerade mein Fachgebiet, aber soll ich vielleicht mal die aktuelle Fassung des Artikels lesen?«
    » Würdest du das tun?«, tönte es hörbar erleichtert aus der Leitung. » Und gehst du zufällig nächste Woche in die British Library? Ich müsste nämlich ein paar Fußnoten überprüfen, und es dauert ewig, wenn ich mir die betreffenden Bücher per Fernleihe schicken lasse. Ich bin gar nicht sicher, ob es überhaupt…«
    » Mach ich doch gerne. Ich wollte ohnehin mal wieder hin«, meinte Neve geflissentlich. Ungefähr einmal pro Woche suchte sie sich einen Grund, um sich zur British Library davonzustehlen, und nachdem sie zehn Minuten fleißig Quellenangaben überprüft hatte, verbrachte sie die restlichen Stunden dort mit Angelegenheiten, die nichts mit dem Archiv zu tun hatten. Dabei hatte sie ständig ein furchtbar schlechtes Gewissen und fürchtete, Mr Freemont könnte unerwartet auftauchen, um sie zu kontrollieren und zu entlassen, wenn die schreckliche Wahrheit herauskam. » Schick mir die Zitate einfach per E-Mail. Ich werde sie noch vor Ende nächster Woche überprüfen, versprochen.«
    » Danke. Vielen Dank«, hauchte William. Neve umklammerte den Telefonhörer noch fester und stellte sich vor, sie könne seinen Atem auf ihrer Haut spüren, was jedoch wegen der entfernungsbedingten Zeitverzögerung nicht einfach war. » Ich wüsste nicht, was ich ohne dich täte.«
    » Ach was, nicht der Rede wert«, wehrte Neve ab und hielt kurz den Hörer von sich weg, um selig zu grinsen. » Ich helfe dir doch gern.«
    » Gut, nachdem wir das geklärt haben, kannst du mir ja vielleicht erklären, wieso du mich angeschwindelt hast.«
    » Was? Ich habe dich nicht angeschwindelt. Warum sollte ich?« Neve zermarterte sich das Hirn. Was könnte sie William geschrieben haben, das nicht der Wahrheit entsprach? Spielte er etwa darauf an, dass sie ihm bis jetzt verschwiegen hatte, wie viel sie…
    » Ich merke doch, dass es dir nicht

Weitere Kostenlose Bücher