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Was sich kusst das liebt sich

Was sich kusst das liebt sich

Titel: Was sich kusst das liebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manning Sarra
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dir das durchlesen und mir sagen, ob du mit mir ausgehen würdest? Wenn du ein Mann wärst, meine ich«, hatte Neve nervös gesagt und gespannt die Antwort abgewartet.
    Chloe hatte sich hingesetzt und angefangen zu lesen, wobei sie gelegentlich ein Stöhnen oder ein » Lieber Himmel, Neve, das ist nicht dein Ernst, oder?« von sich gegeben hatte.
    » Ist es so schlimm?«, hatte Neve gefragt, als Chloe fertig war.
    » Schlimmer. Mit diesem Profil kriegst du nie ein Date.« In Chloes engelhaftem Äußeren steckte ein eisenharter Kern. Sie hatte blonde Ringellöckchen, babyblaue Augen und stellte eine so brave Miene zur Schau, dass sie nie von Mr Freemont getadelt wurde, obwohl sie meist in Jeans und Turnschuhen in der Arbeit erschien und der Ansicht war, dass nur eine lächerliche Stunde Mittagspause einen Affront gegen ihre Bürgerrechte darstellte. » Du musst alle Wörter mit mehr als zwei Silben streichen.«
    » Alle? Aber Archivarin hat nun einmal vier Silben.«
    Chloe hatte Neve angesehen, als hätte sie ihr gerade gestanden, dass sie Großbritanniens erfolgreichster Serienmörder war. » Du kannst nicht sagen, dass du Archivarin bist. Du musst schreiben, dass du im Verlagswesen tätig bist, und… ach, herrje, was steht hier: ›Ich liebe lange Spaziergänge und habe immer davon geträumt, einmal die New York Public Library zu besuchen. Dafür habe ich noch nie verstanden, was so toll an Trekkingreisen sein soll. Mit dem Rucksack durch den Hindukusch zu trampen wäre für mich quasi der neunte Kreis der Hölle.‹«
    » Was gibt es dagegen einzuwenden?«
    Chloe hatte ihr sanft den Arm getätschelt. » Die Anspielung auf Dantes Göttliche Komödie wird kein Mensch verstehen.«
    » Dann soll ich sie also abändern in…?«
    » Ich liebe Reisen und lange Spaziergänge«, hatte Chloe fest gesagt, die Finger bereits auf der Tastatur. » Die Liste mit deinen Lieblingsautoren muss auch weg. Davon kenne selbst ich nicht einmal die Hälfte. Statt ›Ich höre nicht viel Musik‹ schreibst du ›Ich mag alle Musikrichtungen‹, und ›ein paar Kilos zu viel auf den Rippen‹ ersetzen wir durch ›kurvig‹.«
    » Aber… ist das nicht Irreführung?«, hatte Neve eingeworfen, während Chloe große Teile ihres Textes umschrieb.
    » Ach, zerbrich dir deswegen mal nicht den Kopf, auf diesen Dating-Seiten lügen alle«, hatte ihr Chloe versichert. » Das hier ist ja bloß eine Art Visitenkarte. Ob jemand wirklich Potenzial hat, siehst du erst, wenn du ihn persönlich kennenlernst.«
    » Wie soll ich je jemanden kennenlernen, wenn alle lügen? Woher soll ich wissen, ob wir etwas gemeinsam haben?« Neve hatte vergeblich versucht, ihren Computer zurückzuerobern– Chloe hatte sich nicht verdrängen lassen.
    » Die Typen schicken dir eine Nachricht, und du verabredest dich mit ihnen«, hatte sie gesagt, während ihre Finger über die Tastatur geflogen waren, um Neves Persönlichkeit als » quirlig« und » kontaktfreudig« zu beschreiben. » Ich kenne dich, meine Liebe. Du würdest wochenlang wortreiche E-Mails über das französische Kino schreiben, statt dich mal mit einem Kandidaten persönlich zu treffen.«
    » Gar nicht wahr!«, hatte Neve protestiert, allerdings nicht sonderlich empört, denn Chloe hatte nicht ganz unrecht.
    » Mal ehrlich, Neve, meine Mitbewohnerin lernt ihre Freunde immer übers Internet kennen. Das Motto lautet eindeutig Quantität statt Qualität. 90Prozent der Typen, die sich bei ihr melden, haben einen Dachschaden«, hatte Chloe gesagt. » Und die einzige Möglichkeit auszusieben, ist, sich mit ihnen zu treffen.«
    Neve war in Anbetracht dieser Zahl nicht gerade begeistert gewesen, und ihre Begeisterung war weiter gesunken, als Chloe ihre Chefin Rose hinzugebeten hatte, um sich Unterstützung zu holen, weil sie das Schwarz-Weiß-Foto, das Neve ins Internet gestellt hatte, unmöglich fand. In der Mittagspause waren die beiden dann mit ihr shoppen gegangen und hatten sie gezwungen, einen Push-up- BH und ein tief ausgeschnittenes Top zu kaufen, was sie sich eigentlich nicht leisten konnte, und dann hatte Rose mit ihrem Handy neue Fotos von ihr geschossen.
    » Brust raus und Zähne fletschen«, hatte Chloe sie immer wieder ermahnt, und Neve hatte ein– wie sie hoffte– warmherziges, freundliches Lächeln aufgesetzt.
    Ihren Vorbehalten zum Trotz waren am darauffolgenden Morgen bereits dreißig Anfragen eingegangen. Rose und Chloe hatten die Liste der Bewerber eingegrenzt und hinter Neve gestanden,

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