Was sich kusst das liebt sich
warmlaufen. In den ersten fünf Minuten fühlte es sich nach wie vor etwas seltam an. Sie war stets von Neuem eingeschüchtert in Anbetracht seines attraktiven Äußeren und benötigte ein Weilchen, um ihre Meinung von ihm zu revidieren und die innere Stimme, die sich fragte, was zum Teufel er eigentlich von ihr wollte, zum Schweigen zu bringen.
Als sie sich so weit gefasst hatte, dass sie ihn ansehen konnte, stellte sie fest, dass er Jeans und einen Mantel mit Hahnentrittmuster trug, der schon bessere Zeiten erlebt hatte, aber zweifellos von Marc Jacobs oder Prada stammte. Der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht, als er seinerseits den Blick über sie gleiten ließ. Dann ergriff er ihren Arm, um sie zum Eingang der U-Bahn-Station zu dirgieren.
Neve rührte sich nicht von der Stelle. » Wo willst du hin?«
» Na, zur U-Bahn. Wir gehen doch kegeln, oder?«
Nach dem aufregenden Donnerstagabend war Neve bewusst geworden, dass bislang sämtliche Vorschläge für ihre Verabredungen von Max gekommen waren. Sie hatte sich nur über ihr Outfit den Kopf zerbrechen und sich zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort einfinden müssen.
Deshalb hatte sie beschlossen, die Initiative zu ergreifen, als Max ihr offenbart hatte, dass er für Samstagabend noch keine Pläne hatte. Auf ihre ursprüngliche Anregung, den Abend zur Abwechslung zu Hause zu verbringen, damit sie sich endlich Tristram Shandy widmen konnte, hatte Max mit einer Empörung reagiert, die ausnahmsweise nicht rein auf die komische Wirkung abzielte. » Ich habe seit meinem zwölften Lebensjahr keinen Samstagabend mehr zu Hause verbracht, und ich fange ganz sicher nicht jetzt damit an.« Er war sogar noch konsternierter gewesen als Celia. » Ich rufe ein paar Leute an. Es muss doch irgendwo irgendetwas los sein.«
» Wir gehen zuerst bowlen und danach essen«, hatte Neve entschlossen gesagt, denn beide Aktivitäten waren einigermaßen erschwinglich, und ihr Gehalt kam erst in einer Woche. Max hatte ohne zu zögern eingewilligt, aber als sie nun seine verdatterte Miene sah, wurde ihr klar, dass er sich unter » bowlen gehen« etwas anderes vorgestellt hatte als sie.
» Wir müssen gar nicht mit der U-Bahn fahren«, sagte sie und deutete auf ein großes rotgraues Gebäude auf der anderen Straßenseite. » Da drüben ist ein riesiges Bowlingcenter.«
Max starrte mit gerunzelter Stirn auf die windschiefen Kegel an der Fassade des Gebäudes. » Ich hatte da eher an Bloomsbury Bowls oder All-Star Lanes gedacht…«
…und nicht an einen hässlichen Betonklotz, in dem es weder kitschige Retro-Deko noch auf Fünfzigerjahre getrimmte Kellnerinnen gab. » Innen ist es ganz nett«, murmelte Neve. » Ich dachte, wir könnten ja mal was hier in der Gegend unternehmen.«
» Da drin klingt die Musik aus den Lautsprechern bestimmt grauenhaft blechern, und beim Anlauf wieselt einem ständig ein kleiner Kläffer zwischen den Beinen rum, stimmt’s?«
» Warst du etwa schon mal drin?«
» Nein, aber es erinnert mich frappant an die Kegelbahn in Didsbury, in der ich meinen zehnten Geburtstag gefeiert hab.« Max atmete tief durch. » Also gut, los geht’s. Kann nicht schaden, wenn ich mich mal auf Augenhöhe mit dem gemeinen Fußvolk begebe.«
Es lief besser als erwartet. Max verzog zwar theatralisch das Gesicht, als sie die Halle betraten, in der mit Limonade vollgepumpte Kinderhorden kreischend hierhin und dorthin liefen, und er verdrehte die Augen, als Neve darauf bestand, dass der für den Schuhverleih zuständige Angestellte ein Fußdeo in ihre Leihschuhe sprühte, ehe sie hineinschlüpfte. Aber danach war ihre Verunsicherung wie weggeblasen, denn hier befand sie sich auf vertrautem Boden.
Bowling war in ihrer Familie eine Geburtstags- und Feiertagstradition, aber auch eine » Belohnung für eine gute Schulnote«-Tradition und nicht zuletzt eine » Barry, schaff die Kinder aus dem Haus, sie machen mich wahnsinnig«-Tradition.
Neve konnte ihre Namen in die elektronische Punktezählmaschine eingeben, obwohl bereits die meisten Buchstaben abgegangen waren, und sie wusste, dass auf der Bahn ganz links die Kugeln einen Rechtsdrall bekamen, weil sie verzogen war. Sie wusste auch, dass man am Anfang am besten eine der schweren grünen Kugeln nahm und gegen Ende eher eine leichtere orangefarbene.
Ja, sie zerbrach sich sehr wohl darüber den Kopf, wie es wohl von hinten aussah, wenn sie schwerfällig auf die Bahn zuwatschelte, aber Max war viel zu sehr von der
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