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Was sich kusst das liebt sich

Was sich kusst das liebt sich

Titel: Was sich kusst das liebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manning Sarra
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Professor, der am University College London Mittelalterliche Geschichte unterrichtete und jedes Mal wissen wollte, warum es am Archiv keine Dokumente aus der Zeit vor 1700 gab. Die zerzaust wirkende Dame von der Akademie der Künste fand Neve recht sympathisch, dafür konnte sie den eingebildeten Jacob Morrison mit seinen schicken Anzügen nicht leiden. Er war ein Superstar unter den Literaturagenten und hatte die Angewohnheit, durch sie hindurchzusehen. Das Schlusslicht bildete Harriet Fitzwilliam-White, deren Vater das Archiv gegründet hatte. Sie war die Vorstandsvorsitzende und außerdem der Ansicht, die Angestellten hätten nicht genügend Grips, das Erbe ihres Vaters zu bewahren. Im Vorjahr war sie mit Rose aneinandergeraten, als diese ein Upgrade ihrer veralteten Windows-Software gefordert hatte.
    Kaum hatte das Meeting begonnen, sanken alle auf ihren Stühlen in sich zusammen. Alle bis auf Neve– sie war viel zu angespannt und wiederholte im Geiste immer wieder das leidenschaftliche Plädoyer, das sie zur Verteidigung ihrer Arbeitsmoral halten wollte, wenn der Augenblick der Wahrheit gekommen war.
    Doch das konnte dauern. Zunächst musste eine geschlagene Stunde lang das Sitzungsprotokoll der letzten Jahreshauptversammlung besprochen werden, ehe man zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung übergehen konnte.
    Viel Neues gab es nicht. Man hatte ihnen mehrere kleinere Geldbeträge vermacht, und ein Grüppchen literaturbegeisterter Wohltäter hatte ihnen einen Zuschuss zukommen lassen, aber das waren auch schon die einzigen positiven Nachrichten. Allzu viel war das nicht gewesen– jedenfalls nicht genug, um die Gehälter für vier Festangestellte und mehrere Teilzeitkräfte zu bezahlen und sie mit ausreichend Haftnotizen und Tee zu versorgen. Doch außer Neve schien das niemandem großes Kopfzerbrechen zu bereiten. Oder doch? Schwer zu sagen. Als sie ihre Kolleginnen und Kollegen unauffällig musterte, sah sie jedenfalls nur teilnahmslose Mienen.
    Mr Freemont war der Einzige von ihnen, der den Mund aufmachte. Er erklärte bis ins kleinste Detail die Kriterien, nach denen sie die neuesten Anschaffungen erworben hatten, und sprach sich für eine stringentere Auswahlprozedur für die Besucher des Archivs aus. Er hatte Unsere liebe Frau vom gesegneten Taschentuch auf dem Kieker, seit er sie dabei erwischt hatte, wie sie sich im Lesesaal ein Pfefferminzbonbon in den Mund gesteckt hatte.
    » …möchte ich noch einmal auf das Schild am Empfang hinweisen, das das Mitführen und den Konsum flüssiger und fester Nahrungsmittel ausdrücklich verbietet.«
    Neves Anspannung wich allmählich dem Gefühl, bald vor Langeweile sterben zu müssen. Sie unterdrückte ein Gähnen, was ihr einen belustigten Blick von Mary Vickers von der Akademie der Künste eintrug.
    » Tja, das hat uns zweifellos allen zu denken gegeben, George «, unterbrach Jacob Morrison plötzlich Mr Freemonts Redeschwall. » Sollen wir dann zum Punkt Sonstiges weitergehen?«
    » Ich bin noch nicht fertig«, sagte Mr Freemont. » Ich wollte noch über den Schirmständer sprechen, der…«
    » Bitte verzeihen Sie, George, aber ich würde gern noch vor Mitternacht hier rauskommen«, sagte Mary Vickers mit einem bedauernden Lächeln, das signalisierte, dass sie die Unterhaltung zwar höchst fesselnd fand, aber leider noch eine sehr dringende andere Verpflichtung hatte.
    Mr Freemont lehnte sich mit einem verärgerten Schnauben zurück, und Neve umklammerte panisch den Rand der Tischplatte. Sonstiges, das konnte alles bedeuten. Vielleicht hatte Rose ja auch herausgefunden, dass sie hin und wieder ein Fax an ihre Mutter in Spanien schickte, wenn sie allein im Büro war. War das ein Grund für eine fristlose Kündigung?
    » Also, hat uns noch jemand etwas Wichtiges mitzuteilen?«, fragte Harriet Fitzwilliam-White mit einem desinteressierten Blick in die Runde.
    Chloe erhob sich. » Allerdings. Rose und ich haben einen Vorschlag, der das LLA ins 21. Jahrhundert befördern und uns neue Einkommensquellen erschließen würde.«
    » Das hatten wir doch schon besprochen, Chloe«, bellte Mr Freemont, wobei ihm einige Krümel aus dem Mund fielen, weil er sich gerade das letzte Krabbensandwich zu Gemüte geführt hatte. » Ich dachte, ich hätte mich klar und deutlich ausgedrückt.«
    » Ja, das haben Sie«, sagte Chloe ruhig, sah dabei jedoch Jacob Morrison an. Erst jetzt fiel Neve auf, dass sie sich die Lippen dunkler als sonst angemalt hatte und statt der üblichen

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