Was sich kusst das liebt sich
Jeans-und-Pulli-Kluft ein hübsches graues Kleid und ein tailliertes Jackett trug. » Aber ich habe mich wohl nicht klar und deutlich ausgedrückt, denn Sie scheinen nicht ganz begriffen zu haben, dass uns das Konzept ermöglichen würde, selbst Geldmittel zu generieren, damit wir künftig nicht mehr von Spenden abhängig sind.«
» Das klingt meiner Meinung nach überaus spannend.« Jacob Morrison lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. » Wer wäre nicht an der Erschließung neuer Geldmittel interessiert?«
» Es wird nicht lange dauern«, versprach Rose. » Ich habe eine PowerPoint-Präsentation dazu vorbereitet.«
Ein Raunen ging durch den Raum. Neve hatte keine Ahnung, worauf Chloe hinauswollte. Sie hegte noch immer den Verdacht, dass ihre Entlassung auch ein Mittel zur Generierung weiterer Gelder war und ihr Jahresgehalt von 14.347 Pfund brutto in den Erwerb irgendeiner bedeutenden Schriftensammlung investiert werden sollte. Zugleich war sie höchst erstaunt über die Tatsache, dass es am LLA einen Computer gab, der die Erstellung einer PowerPoint-Präsentation gestattete, ohne zu implodieren.
Alle anderen wirkten weit aufgeregter als sie, als Chloe nun ihre Ausführungen begann, während Rose eine Taste an einem Laptop von anno dazumal betätigte. Das Konzept bestand darin, den Bestand des Archivs zu digitalisieren und gegen einen Nutzungsbeitrag für die breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Außerdem sollte durch den Zusammenschluss mit anderen Literaturarchiven und akademischen Bibliotheken eine Datenbank entstehen, in der unzählige verstorbene Schriftsteller erfasst waren. Allem Anschein nach gab es jede Menge Organisationen, die bereit waren, solche innovativen Projekte zu finanzieren.
Es klang absolut machbar, wenngleich Neve in der unmittelbaren Zukunft wohl überwiegend mit dem Einscannen von Schriftstücken beschäftigt sein würde. Sofern sie ihren Job behalten durfte. Vielleicht sollte man mal jemanden einstellen, der sich richtig gut mit Computern auskennt, dachte sie und spähte zu Mr Freemont hinüber, der wusste, dass er geschlagen war und den Kopf hängen ließ, wodurch die drei fettigen Haarsträhnen, die er stets über seine schneeweiße Glatze drapierte, noch deutlicher sichbar waren.
Er tat ihr leid, und nicht zum ersten Mal. Ja, er roch echt übel, und er war ein launischer, frauenfeindlicher Streithammel, aber Neve wusste, wie es sich anfühlte, wenn man nirgendwo dazugehörte. Und sie hatte das Gefühl, dass Mr Freemont noch nie irgendwo dazugehört hatte. Kein Wunder also, wenn er sich nicht um Körperhygiene oder Sozialkompetenzen scherte.
Chloe und Rose hatten ihre Präsentation nun beendet und beantworteten mit einem zufriedenen Lächeln die Fragen, mit denen sie von allen bombardiert wurden– von allen außer Neve und Mr Freemont. Es war ein wirklich denkwürdiges Meeting. Normalerweise machte keiner von ihnen den Mund auf, es sei denn, er wurde direkt angesprochen, und vermied ansonsten tunlichst jeglichen Blickkontakt.
Jacob Morrison hatte sein BlackBerry gezückt und vereinbarte mit Chloe, Rose und Harriet Fitzwilliam-White einen Termin zwecks Besprechung der Details. Chloe grinste wie ein Honigkuchenpferd, während Rose ihren Sieg etwas bescheidener feierte und Mr Freemont wie ein Karpfen immer wieder den Mund öffnete und schloss. Er hatte inzwischen begriffen, dass der Digitalisierungsprozess nicht aufzuhalten war, ob es ihm gefiel oder nicht. Neve sah zu Philip, der unauffällig den Daumen nach oben streckte, und da ging ihr endlich ein Licht auf: Mr Freemont war das Opfer, nicht sie!
Sie rutschte ungeduldig auf ihrem Stuhl hin und her und konnte es kaum erwarten, bis die Sitzung zu Ende war und sie sich in die Sicherheit ihres Büros verkriechen konnte. Nach dieser Niederlage würde Mr Freemont absolut unausstehlich sein, da war es besser, ihm für den Rest des Tages aus dem Weg zu gehen. Oder für den Rest des Jahres.
» Es gibt noch etwas, das wir zur Sprache bringen wollten«, verkündete Rose, als sich die Lage wieder etwas beruhigt hatte. » Es geht um Neve.«
Plötzlich ruhten aller Augen auf ihr, selbst die von Mr Granville, der wegen der ganzen Aufregung noch keine Minute geschlafen hatte.
Neve hatte das Gefühl, ihr Gesicht müsste in Flammen stehen, während der Rest ihres Körpers zu Eis gefror. » Ähm, was den Brief angeht…«, stotterte sie. » Ich… Da war eine ewig lange Schlange im Postamt und…«
Rose brachte sie mit einem strengen
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