Was sich liebt das raecht sich - Roman
Whiskey-Cola an der Bar und sah den Mitgliedern der Jazzband beim Aufbau ihrer Instrumente zu. Er hatte einen grauenhaften Arbeitstag gehabt, und obwohl es Freitagabend war, hatte er das Angebot seines besten Kumpels Robin, mit ihm die Kneipen im West End abzuklappern und sich dort nach Kräften zu betrinken, dankend abgelehnt. Er hatte nicht den Wunsch gehabt, nackt in einem Rinnstein auf der anderen Seite von London aufzuwachen oder eine der Praktikantinnen von Music Mode auf dem Schreibtisch des Bosses zu vögeln, wie es Robin oft am Ende einer Zechtour tat.
Im Grunde war die ganze Woche grauenhaft gewesen, überlegte Shay, nahm übellaunig einen Schluck von seinem Drink und war nur froh, dass er in seinem Lieblingsjazzclub saß. Hier konnte er entspannen und in Ruhe nachdenken.
Die Arbeit bei dem Magazin war wenig inspirierend, und sein Vater und er hatten kaum ein Wort gewechselt, seit Iris nach L. A. geflogen war.
Dad ist ein sturer Esel, sinnierte er und verzog den Mund zu einem kurzen Lächeln, als die Band mit Linger in My Arms A Little Longer , seinem Lieblingslied, begann. Sein Vater hatte sich verändert, seit Judd Harrington wieder in England war, nur kamen ihm die Spielchen, die die beiden offenkundig miteinander spielten, völlig sinnlos vor. Seufzend fragte er sich, wie es für ihn weitergehen sollte. Eine Anstellung bei Shamrock kam nicht mehr in
Frage, aber er war sich nicht sicher, ob er je Interesse daran haben würde, etwas anderes zu tun.
»Hätten Sie vielleicht Lust auf ein bisschen Gesellschaft? Sie spielen gerade mein Lieblingslied, deshalb dachte ich, ich sollte mutig sein und Sie fragen, ob Sie etwas mit mir trinken wollen.«
Shay drehte den Kopf, erblickte eine attraktive Frau mit zimtfarbenem Haar und wollte sie gerade höflich abweisen, als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel.
»Sie sind das Mädchen von der Party bei den Valentines«, platzte es aus ihm heraus. Er errötete und fühlte sich wie ein Idiot.
»Und Sie sind der Junge von der Party bei den Valentines«, gab sie lächelnd zurück, während sie sich auf den nächsten Hocker schwang. »Und auch wenn ich es als durchaus schmeichelhaft empfinde, dass mich jemand Mädchen nennt, bin ich dafür inzwischen vielleicht trotzdem eine Spur zu alt.«
Shay war sich nicht sicher, wie er auf diese ironische Bemerkung reagieren sollte, doch als er sie aus der Nähe sah, erkannte er, dass sie tatsächlich eine Frau und kein Mädchen war. Sie hatte unmerkliche Fältchen um die Augen und den Mund, und er schätzte, dass sie vielleicht Anfang dreißig war.
Plötzlich hellte sich seine Stimmung merklich auf. Sie sah einfach fantastisch aus, hatte einen vollen Mund und ein kantiges Kinn, das dank der kleinen Stupsnase und den ruhigen braunen Augen nicht mehr ganz so hart aussah. Sie war nicht wirklich hübsch, aber hatte eine tolle Ausstrahlung und sah in dem klassischen schwarzen Kleid, das ihre fantastische Figur vorteilhaft umschmeichelte, wie eine Burlesquetänzerin aus.
Gott, sie war einfach sexy, dachte er und kam sich wie ein verliebter Teenie vor.
»Am besten bestellen wir gleich eine Flasche«, schlug sie vor, nickte dem Kellner zu, und als dieser mit einer vollen Whiskey-Flasche kam, wandte sie sich erneut an Shay. »Wenn man einen schlechten Tag hatte, sind ein, zwei Gläser einfach nicht genug.«
Shay nickte, und ihm wurde klar, dass er wie ein grüblerischer Trottel wirken musste, der allein an der Theke saß und Trübsal blies. »Sollen wir unser Elend vielleicht gemeinsam ertränken?«, fragte er, und sie stieß mit ihm an.
»Mein Name ist Shay. Und wie …«, fing er an, brach aber wieder ab, als plötzlich ihre Hand auf seiner lag.
»Lassen Sie uns nicht über Namen reden. Das macht das Ganze interessanter, finden Sie nicht auch?«
»Okay.« Er lächelte fasziniert, und mit wild klopfendem Herzen schenkte Darcy ihnen beiden nach. Sie fühlte sich wie eine Spionin bei James Bond – nur dass sie ganz eindeutig keins der Bond-Girls, sondern eine von den Bösen war.
Sie wusste noch immer nicht genau, wie sie es schaffen sollte, Shay zu schaden, und so wandte sie sich abermals der Bühne zu. Sie war ihm von seinem Büro bis in den Club gefolgt und wünschte sich, es gäbe keinen derart arglistigen Grund dafür, dass sie hier mit ihm zusammen saß. Shay war sicher höchstens fünfundzwanzig, wirkte allerdings für sein Alter überraschend reif. Seine Schultern waren breiter und sein Körper muskulöser als in ihrer
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