Was sich liebt, das trennt sich: Roman (German Edition)
Wetter es erlaubt.« Und dann entdeckte sie, dass endlich, nach so langer Zeit, Schneeflocken vom Himmel fielen.
»Luke!«, rief Abigail von unten. »Luke!«
Luke blickte von dem Gedicht vor ihm auf. Die Gleichförmigkeit, mit der Abby nach ihm rief, hatte etwas beinahe Angenehmes. Er legte seinen Bleistift weg. Ein neues Stück Gips baumelte an der Decke. Doch diesmal störte ihn die Baufälligkeit des Hauses nicht. Es war irgendwie liebenswert, wie das Stück Decke dort beharrlich hing und der Schwerkraft und der Zeit trotzte.
»Luke!«, rief Abigail, während die Treppe wackelte.
Luke rannte in den Flur, wo er plötzlich vor seiner Großtante stand.
»Was machst du denn da? Du sollst doch keine Treppen ...«
Abigails faltige Wangen waren vor Aufregung gerötet. Ein verschmitztes Funkeln lag in ihren trüben Augen.
»Der Winter ist zurück«, sagte sie.
Peggy entdeckte die beiden in Lukes Arbeitszimmer, bevor sie sie bemerkten. Sie wollte fragen, wie Miss Abigail die Treppe heraufgekommen war, vergaß die Frage aber, während sie den beiden zusah, wie sie vor dem Computer saßen.
»Siehst du, das ist der Sturm, der im Anmarsch ist.« Luke saß in dem Stuhl mit der geraden Lehne, den Peggy in seinem Schlafzimmer gesehen hatte, und deutete auf den Bildschirm.
»Was ist das?« Miss Abigail hatte auf Lukes Schreibtischstuhl Platz genommen und beugte ihren zierlichen Körper in Richtung Bildschirm.
»Wenn ich darauf klicke, dann wird angezeigt, wie viel Schnee in den nächsten Stunden fallen wird. Siehst du? Um drei Uhr schneit es dauerhaft und ab fünf Uhr heftig. Das kann man alles aus dem Internet erfahren.«
Miss Abigail schnaubte. »Oder man schaut einfach aus dem Fenster da drüben.«
Peggy lachte, und die beiden hoben die Köpfe und bemerkten sie. »Das war lustig«, sagte sie kichernd. »Der war gut, Miss Abigail.«
»Das war nicht lustig gemeint, junge Dame.« Doch statt des tadelnden Blicks, den Peggy erwartet hatte, breitete sich ein Lächeln auf Miss Abigails Gesicht aus. »Es ist schön, wieder im Ballsaal zu sein. Mutter und Daddy haben hier großartige Feste gefeiert. Die Kronleuchter funkelten, und die Musik spielte, und es war wie im Märchen.« Miss Abigail summte eine schiefe Melodie.
»Es ist schön, dass Sie so guter Laune sind.« Peggy spürte, wie auch sie sich glücklich zu fühlen begann. Solange sie in diesem Haus blieb, war sie sicher - vor den aufdringlichen Kommentaren von Liddy, Carrie und Creighton; vor dem Streit über Lukes Land; vor der Tatsache, dass der Laden, in den sie ihre gesamte Energie gesteckt hatte, den Bach runterging. Kein Wunder, dass Miss Abigail dieses Haus so liebte. Peggy konnte jedoch auch irgendwie verstehen, warum Luke sich so danach sehnte, diesen gemütlichen Kokon zurückzulassen und endlich die Flügel auszubreiten. Stand nicht jeder zwischen dem Verlangen nach dem Vertrauten und dem ebenso großen Verlangen danach, frei zu sein? Versuch herauszufinden, wovor du wirklich Angst hast, hatte Birch bei jenem lange vergangenen Meditationskurs gesagt. Lag es nur daran, dass Peggy noch nicht die richtige Balance gefunden hatte? Wollte sie deshalb unbedingt heiraten, so als würde nur eine Heirat ihr in einer kalten, stürmischen Welt Sicherheit versprechen?
Miss Abigail versuchte, sich von dem Stuhl zu erheben. Luke, der ihr immer noch die vielen Möglichkeiten der Wettervorhersage im Internet demonstrierte, bemerkte es nicht. »Darf ich helfen?«, fragte Peggy und wusste, dass die Antwort lauten würde: Unsinn.
»Ja, danke.« Miss Abigail legte ihre kleine Hand auf Peggys Arm, und Peggy stützte sie, während sie sich langsam von Lukes Schreibtischstuhl erhob. Es war das erste Mal, dass die Yankee-Frau sie gebraucht hatte, und Peggy war froh, endlich mal von Nutzen zu sein. »Es wird Zeit, das Essen vorzubereiten«, fuhr Miss Abigail fort. »Peggy, würdest du mich die Treppe hinunterbringen?«
Ihre Stimmen und Schritte wurden leiser, und dann war alles wieder still. Stiller als still, gedämpft vom Schnee, der jetzt in federleichten Flocken fiel. Seine Großtante hatte natürlich recht. Wozu brauchte man einen Computer, wenn man einfach nach draußen sehen konnte? Luke stand vor dem halbmondförmigen Fenster, und die Winterkälte stahl sich trotz seiner Bemühungen, sie auszusperren, durch die Scheibe. Der falsche Frühling war vorüber. Man musste nur in den Neuengland-Himmel mit den prallen Schneewolken sehen.
Es wurde Zeit, sich
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