Was sich liebt, das trennt sich: Roman (German Edition)
Luke seine Wohnung aufgegeben und war nach Sedgwick House gezogen, damit er ein Auge auf sie haben konnte. Jetzt bescheinigten Abbys Ärzte ihr noch geistige Zurechnungsfähigkeit, aber sie glitt immer tiefer in die Demenz, und irgendwann würde sie mehr Pflege brauchen, als Luke allein leisten konnte. Und das kostete Geld. Mehr als er jemals bei Hartford Mutual hätte verdienen können.
Man muss Risiken eingehen, um Erfolg zu haben, pflegte Ver Planck zu sagen. Du kannst dem Risiko nicht immer ausweichen, Sedgwick.
»Ich habe dir doch letztens von der neuen Anlage für betreutes Wohnen in Torrington erzählt, erinnerst du dich? Wenn wir das Haus verkaufen, dann könntest du dir dort eine Wohnung leisten. Da würde jemand für dich putzen und zweimal am Tag nach dir sehen«, sagte Luke Abby wie schon so oft.
Ihre Antwort war genauso vorhersehbar: »Das Silas Sedgwick House darf niemals verkauft werden, Luke. Niemals.«
Seymour's Haushaltswarenladen war bis zum vergangenen Jahr immer der einzige derartige Laden in New Nineveh gewesen - bis das erste Einkaufszentrum eine Meile außerhalb der Stadt gebaut worden war: Das Pilgrim Plaza verfügte über einen sauberen, schwarz geteerten Parkplatz, einen Eingang direkt an der Route 202 und die Filiale einer Haushaltswaren-Kette, in der die gleichen Produkte wie bei Seymour's zu einem günstigeren Preis angeboten wurden. An diesem Nachmittag war Seymour's leer bis auf ein paar eingefleischte Einheimische, die Luke schon kannten, seit er in den Windeln gelegen hatte, und die nichts mehr liebten, als ihn daran zu erinnern. Zu Lukes Überraschung - nicht darüber, dass er jedes Mal, wenn er Abbys Haus verließ, jemanden traf, den er kannte, sondern weil es diesmal zu seinem Vorteil war - stand Lowell Mayhew vor den ausgestellten Laubgebläsen.
»Schön, dich zu sehen. Wie geht es deiner Großtante?«, fragte der Anwalt.
»Wie immer. Ich freue mich auch, dich zu sehen.« Luke schüttelte Mayhew die Hand. Er zögerte. »Ich muss mit dir sprechen. Könnte ich morgen in deine Kanzlei kommen? Es ist dringend.«
»Was gibt es denn?«
Luke sah, wie Emily Hinkley, die Vorsitzende der Frauenhilfe von New Nineveh, ihm von den Baumscheren aus zunickte. Er senkte die Stimme. »Ich würde das lieber in der Kanzlei besprechen.«
»Ruf einfach Geri an und lass dir einen Termin geben.«
Luke bedankte sich bei Mayhew und nickte Wesley Buckle zu, einem alten Freund der Familie, der sich als kürzlich gewählter Vorsitzender des städtischen Bauausschusses besonders vehement für das Pilgrim-Plaza-Projekt eingesetzt hatte. Luke fragte sich, warum Buckle nicht in der neuen Haushaltswaren-Filiale einkaufte; vielleicht legte man alte Gewohnheiten nur schwer ab. Luke ging nach hinten. Er brauchte noch mehr Kerzen. Und Petroleum. Der Winter war nicht mehr so wie früher, aber er kam, und da durfte man nicht unvorbereitet sein.
Mayhew folgte ihm. »Luke.« Sein Grinsen schwand. »Du solltest mit deiner Großtante über ihr Testament sprechen. Ich darf dir nicht viel sagen, du verstehst schon, aber sie hat einige signifikante Änderungen vorgenommen, die, wie du sicher auch finden würdest, nicht ratsam sind.«
Luke wagte nicht zu hoffen. In Abbys altem Testament hatte sie ihm Sedgwick House hinterlassen - zusammen mit der unanfechtbar festgeschriebenen Bedingung, dass weder er noch irgendwelche theoretischen Nachfahren es jemals verkaufen durften. Der Gedanke, für alle Ewigkeit mit diesem Haus belastet zu sein, hatte Luke schon unzählige Nächte seines erwachsenen Lebens nicht schlafen lassen. »Soll heißen - sie hinterlässt mir das Haus nicht?«
Mayhew kratzte sich unter seinem grauen Hut an seiner pinkfarbenen Stirn.
»Halleluja!«, rief Luke und zeigte einen seltenen Gefühlsausbruch. Er zog einen Zehn-Kilo-Sack Streusalz unten aus einem Regal und ging begleitet von Mayhew wieder nach vorne. Er konnte sich nicht vorstellen, was seine Tante vorhatte. Seit Jahren versuchte er, sie dazu zu überreden, das Haus dem Heimatverein von New Nineveh zu schenken, damit die ein Museum daraus machen konnten. »Und, wer kriegt den alten Kasten? Ich weiß, du darfst es mir nicht sagen.«
»Rede einfach mit ihr.«
»Wieso glaubst du, dass sie auf mich eher hören wird als auf dich?«
Mayhew kratzte sich am Kinn. »Versuch es.«
Keine Chance, dachte Luke, der sich plötzlich trotz seiner Sorgen leicht und frei fühlte. »Mach ich«, sagte er und ging, um das Petroleum zu holen.
Das
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