Was sie nicht weiss
presst er die Hand an die Wunde.
»Das war noch nicht alles, Julian.« Tamara zieht sich die Kapuze ihres Regenmantels über und nimmt etwas aus ihrer Schultertasche. »Es sei denn, du hast mir etwas zu sagen.«
»Du bist wahnsinnig!« Er schleppt sich in Richtung seines Büros. Kaum hat er Tamara den Rücken zugekehrt, wird ihm klar, dass das ein Fehler war. Ein harter Schlag trifft seinen Hinterkopf, er hört den eigenen Schädel knacken, dann wird der Schmerz übermächtig, und er bricht zusammen.
Schon halb bewusstlos, hört er eine flüsternde Stimme an seinem Ohr und begreift nur halb, was sie sagt: »Das war nicht, was ich hören wollte, Julian.«
25
Der Tote liegt im Showroom zwischen den Autos. Auf dem Rücken, mit heruntergezogener Hose, den abgeschnittenen Penis im Mund. Die Gesichtszüge des Mannes sind verzerrt, so als wäre es ihm noch im Tode peinlich, wie er daliegt.
»Julian van Schaik, achtundzwanzig Jahre, Junggeselle und Geschäftsführer dieses Autohauses«, fasst Ramon zusammen. »Heute Morgen um Viertel vor neun wurde er von zwei Angestellten aufgefunden. Sie sahen eine Blutspur, dann den Toten und alarmierten die Polizei.«
»Haben sie die Leiche angefasst?«, erkundigt sich Fred.
»Angeblich nicht, sie werden gerade befragt.« Ramon deutet zum Büro, dessen Glaswand mit bunten Lichter ketten umrahmt ist. Hinter der Scheibe sehen sie Nick mit einem Mann und einer Frau sprechen. Die Spurensicherung hat ihre Arbeit erledigt und ist bereits gegangen.
Erschüttert betrachtet Lois das Opfer. »Wir hätten ihn stärker unter Druck setzen und ihm richtig Angst machen sollen«, sagt sie, »dann wäre das nicht passiert.«
»Was ist mit Remco Leegwater? Habt ihr den inzwischen gesprochen?«, fragt Ramon.
»Wir konnten ihn noch nicht erreichen.«
»Dann kniet euch rein, sonst gibt es bald eine dritte Leiche mit abgeschnittenem Penis«, sagt Ramon unwirsch.
»Wir haben mehrmals auf seinen Anrufbeantworter ge sprochen und ihn gebeten, sich schnellstmöglich zu melden. Und heute wollten wir zusehen, dass wir seinen Aufenthaltsort rausfinden.« Lois merkt selbst, dass ihre Rechtfertigung reichlich lahm klingt, außerdem macht sie sich bittere Vorwürfe.
»Ich brauche wohl nicht extra zu sagen, was ich von eurer Nachlässigkeit halte«, entgegnet Ramon kalt. »Das hat ein Nachspiel. Gibt es außer Leegwater noch jemanden, der gewarnt werden muss?«
»Frau Scholten hat zu Protokoll gegeben, diese Tamara sei damals von drei Jungen vergewaltigt worden«, sagt Fred. »Und außer ihr selbst habe noch ein anderes Mädchen dabeigestanden und die Kerle sogar ermuntert. Sie dürfte ebenfalls in Gefahr sein, nur wissen wir leider nicht, wie sie heißt.«
»Dann seht jetzt wenigstens zu, dass ihr das schleunigst rauskriegt. Und schaut euch nachher die Bilder der Überwachungskameras genau an. Ich erwarte noch heute einen ausführlichen Bericht.«
Nach diesen Worten dreht Ramon sich um und verlässt das Autohaus.
Lois und Fred sehen einander betreten an.
»Dann mal los«, meint Fred mit einem Seufzer. »Sieht ganz so aus, als hätten wir was gutzumachen.«
»Ich frage mich ständig, weshalb diese Tamara unauffindbar ist«, sagt Lois. »Und warum keiner ihren Nachnamen kennt. Das ist doch höchst merkwürdig.«
Fred streicht sich bedächtig den Schnurrbart.
»Ja, man könnte meinen, sie existiert gar nicht«, murmelt er.
»Oder sie heißt in Wirklichkeit ganz anders und benutzt einen falschen Namen.«
»Schon früher als Jugendliche? Das kann ich mir kaum vorstellen.« Fred schüttelt entschieden den Kopf.
»Hoffentlich haben die Spurensicherer Fingerabdrücke gefunden, die könnten uns weiterhelfen«, meint Lois hoffnungsvoll.
»Aber nur, wenn die Täterin schon mal ein Verbrechen begangen hat und ihre Fingerabdrücke genommen wurden. Damit rechne ich eher nicht.« Nach einem letzten Blick auf die Leiche sagt Fred: »Komm, wir fahren zum Revier. Ich bin gespannt, was auf den Bändern zu sehen ist.«
Das Autohaus ist mit drei Überwachungskameras gesichert. Eine ist über dem Eingang angebracht, die zweite vor dem Büro und die dritte im hinteren Bereich des Showrooms mit der breiten Fensterfront. Obwohl ihre Reichweite relativ groß ist, decken sie den mittleren Teil der großen Halle nicht ab und damit auch nicht die Stelle, an der der Mord geschah.
Dennoch sind die Bilder aufschlussreich. Fred und Lois haben sie vorab mit einem IT -Spezialisten gesichtet, und am frühen Nachmittag setzen
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