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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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1805 halten, also auch nur ein paar Jahre länger.
    Der jüngste Versuch, die tradierte Zeiteinteilung durch die Verwendung eines Dezimalsystems zu schleifen, wurde 2001 vom BerlinerDesignkollektiv REDESIGNDEUTSCHLAND unternommen. Die aus dem Geiste radikaler Vereinfachung geborene dezimale Universalzeit rechnete mit einer 100-Minuten-Stunde, einem 100-Stunden-Tag und einem Jahr mit 1000 Tagen. Auf einem kleinen Bildschirm im Ladenlokal und auf der Website addierte sich – wie bei einer Schuldenuhr – die seit Beginn der neuen Zeitrechnung verflossene Zeit zu einer stetig wachsenden Gesamtzahl von Tagen. Das ambitionierte Projekt läuft zwar noch immer – der Zähler stand im Mai 2011 bei dem Wert 003777.805224 –, fand jedoch keine Nachahmer.
    Wir Mitteleuropäer werden also auch weiterhin mit mehreren Maßsystemen und Linealen im Kopf herumlaufen, die unterschiedliche Sprungstellen und markante Punkte haben. Das unterscheidet uns von Computern und macht es so spannend, sich auf die Suche nach den Erscheinungsformen und den mitgeschleppten Bedeutungen von Zahlen und Ziffern zu begeben.



III.
Was Ziffern wollen
    „Gute N8“, „4u“, „2L8“, „Numb3rs“, „Se7en“– die heutige Populärkultur, Teenagersprache, Kommunikation im Internet und per SMS ist voll von Zahlenkürzeln und Chiffren. Wer in den 1980ern zur Schule ging, musste sich in Ermangelung von Mobiltelefonen zur zahlenbasierten und technikgestützten Nahbereichskommunikation noch klobiger Taschenrechner bedienen. Mit zitternder Hand tippte man die Ziffernfolge 38317 ins Display und reichte das Gerät dann verkehrt herum an die begehrte Klassenschönheit weiter. So ging Computerliebe.
    „Computer Liebe“, „Taschenrechner“, „It’s More Fun to Compute“ – so hießen die Titel, mit denen die deutsche Elektro-Band Kraftwerk 1981 auf ihrem Album Computerwelt das beginnende Informationszeitalter als kühl-schönes Paradies aus Zahlen und Daten feierte. Im Song „Nummern“ wird einfach nur lapidar gezählt: „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht“. Mit dieser fortschrittsoptimistischen Zahlenaffinität stand Kraftwerk damals allerdings ziemlich allein. Die späten 1970er und frühen 1980er Jahre waren eher geprägt von Zahlenparanoia. Zahlen, das waren die Werkzeuge bürokratischer Unmenschen und der herrschenden Klasse – was damals für viele so ziemlich dasselbe war. Spätestens seit Horst Herolds Rasterfahndung in den späten 1970er Jahren wuchs der Widerstand gegen die zahlenmäßige Erfassung von Bürgern und Konsumenten. Seinen Höhepunkt fand er in den Protesten gegen die Volkszählung 1987. Es ging die Sorge um, jeder Mensch könnte vom Staat erfasst und auf eine bloße Zahl reduziert werden. Wohin das führen würde, hatten die eintätowierten Häftlingsnummern von KZ-Insassen gezeigt. Und über allem dräute George Orwells 1984 als Chiffre für den totalen Überwachungsstaat.
    Heute ist Datenschutz ein weitaus dringlicheres Thema als vor 25 Jahren. Doch der kulturpessimistische und technikfeindliche Abwehrreflex gegen Zahlen als „Agenten des Bösen“ scheint weitgehenderloschen. Was die kulturellen Affekte gegenüber Zahlen angeht, sind wir heute anscheinend auf den langfristigen Entwicklungspfad der Menschheit zurückgekehrt. Und darin spielen sie – und ihre konkreten Repräsentanten, die Ziffern – eine durchaus positive Rolle als kulturgeschichtliche Errungenschaft, als abstrakte Fundamente der Zivilisation und als Treiber des Fortschritts.
Ziffernzoo
    Die Zahlschrift mit ihren Symbolen, den Ziffern von 0 bis 9, ist uns so selbstverständlich geworden, dass wir uns andere Schreibweisen kaum noch vorstellen können. Die Griechen und Hebräer hingegen verwendeten wie viele andere Kulturen die Buchstaben ihrer Alphabete auch als Ziffern – jedem Buchstaben ordneten sie einen festen Zahlenwert zu. So ergeben die hebräischen Buchstaben Jod und He nicht nur die Kurzform des Namens Gottes, sondern stehen auch für die Zahlen 10 und 5, was eine Ausstellung über die Macht der Zeichen im Berliner Jüdischen Museum zu der titelgebenden Formel 10 + 5 = Gott inspirierte. Wie in einer Geheimschrift lassen sich Worte als Zahlen verschlüsseln und umgekehrt. Worte, deren Buchstabenkombination den gleichen Zahlenwert ergibt, werden als zusammenhängend betrachtet. Aus diesem Doppelsinn der Schrift als Buchstaben und Zahlen zieht beispielsweise die Zahlenmystik der Kabbalistik ihren Reiz (siehe Kapitel

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