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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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9 schaufelt sich selber das Grab.“
    Zahlen entwickeln schon in ihrer bloßen Gestalt einen eigenen Charakter, unabhängig von der numerischen Information, die sie transportieren – auch wenn sich diese in der Wahrnehmung vermutlich kaum ausschalten lässt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren viele moderne Künstler fasziniert vom Erscheinungsbild und der Symbolik der Zahlen und haben auf unterschiedlichste Weise Ziffern als Material verwendet oder sie sogar zum thematischen oder ästhetischen Kern ihrer Bildsprache erhoben.
    Pablo Picasso und Georges Braque bauten in ihre kubistischen Collagen Ziffern ein, die sich von Preistafeln herleiteten oder aus Zeitungsausschnitten stammten. Der Futurismus mit seiner Maschinenästhetik und Verherrlichung von Geschwindigkeit benutzte ebenfalls Ziffern als Ausdrucksmittel. In einem seiner zahlreichen Manifeste spricht Filippo Tommaso Marinetti von der „numerischen Sensibilität“ der neuen Kunstform, die damit zum mathematisch-wissenschaftlichen Fortschritt aufschließen wolle. Die künstlerischen Avantgarden vor und nach dem Ersten Weltkrieg verwendeten „die Zahl als Signum für Modernität“, wie es ein Ausstellungskatalog zur Magie der Zahl in der Kunst des 20. Jahrhunderts vermerkt, und reflektierten damit auch die zunehmende Durchdringung des modernen Alltags mit Zahlen.
    Die Pop Art drehte die ästhetische Schraube eins weiter und überhöhte die Zahl zu einem der zentralen Objekte der Darstellung. Ende der 1950er Jahre verstörte der Amerikaner Jasper Johns die Kunstwelt mit seinen ersten Zahlenbildern, gestisch ausgeführten Porträts einzelner Ziffern: „Die Tatsache, dass Johns ein außerkünstlerisches Motiv wie die Zahl 5 zum alleinigen Sujet erhob, führte bereits zu Irritationen“, schreibt die Ausstellungskuratorin Karin von Maur. Robert Rauschenberg, Andy Warhol und vor allem Robert Indiana mit seinen Number Paintings führten diese Entwicklung fort.
    Am radikalsten hat wohl der polnisch-französische Konzeptkünstler Roman Opalka sein Werk der Zahl und dem Zählen gewidmet. Seine Arbeiten wurden auf vielen internationalen Kunstausstellungen gezeigt, unter anderem 1977 auf der documenta 6 in Kassel. Im Jahr 1965 begann er die Arbeit an seinem bis heute fortgesetzten ebenso monumentalen wie minimalistischen Werk mit dem Titel OPALKA 1965 / 1 – ∞: Mit feinem Pinsel (immer in der kleinsten Strichstärke „No. 0“) malt er eine fortlaufende Zahlenfolge mit titanweißer Farbe auf Leinwände, die er Details nennt. Seit 1972 hellt er den Hintergrund jeder Leinwand immer weiter auf, sodass er seit einigen Jahren inzwischen mit weißer Farbe auf weißem Grund malt. Dazu spricht er beim Schreiben die jeweilige Zahl aus und zeichnet diese Tonspur auf. Zusätzlich dokumentieren die am Ende eines jeden Arbeitstages entstehenden Selbstporträts das zunehmende Ergrauen des Künstlers. Durch die mönchische Arbeit an der unendlichen Aufgabe des Zählens macht er das Vergehen der Zeit und die eigene Vergänglichkeit sichtbar. Damit geht seine Konzeptkunst weit über das bloße Aufzeichnen von Zahlen und Ziffern hinaus.
    Nicht alle Zahlen sind dabei für Opalka gleich. Aus dem gleichmäßig dahinfließenden Strom des Zahlenstrahls heben sich für ihn markante Inseln hervor. In seiner Autobiografie schreibt er: „In der Progression meiner Details gehören 1, 22, 333, 4444 zum Anfang meines ersten Details , 55555 steht am Ende des zweiten Details , doch um 666666 zu erreichen, brauchte ich nach 55555 sieben Jahre. Nach 666666 (sechsmal die Ziffer 6) stellte ich mir die Frage: ‚Wie viel Zeit brauche ich, um 7777777 zu erreichen?‘ Ich erkannte, dass ich, wenn alles gutging, noch ungefähr dreißig Jahre brauchte, um zu diesem Siebenmal die Ziffer 7 zu gelangen. Wenn man eine durchschnittliche Lebenserwartung unterstellt, die völlig mit diesem Zählmodus ausgefüllt wäre, käme man nie zu Achtmal die Ziffer 8. Die 88888888 ist außerhalb des Zeitraums einer Existenz.“ Zählen wird hier zur Lebensaufgabe und die Bedeutung von Zahlen und Mengen am eigenen, alternden Körper sichtbar.
08/15
    Wer erzählt, dass er sich eine neue 501 gekauft hat, wird sofort von allen verstanden. Weder muss man erwähnen, dass es sich um eine Hose handelt, noch dass es um eine Jeans der Marke Levi’s geht. Die Typenbezeichnung 501 ist durch den Verkaufserfolg im Laufe der Jahre – die Bezeichnung existiert seit 1890 – so wirkmächtig geworden, dass die Zahl selbst zur

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