Was starke Männer schwach macht
sei er verrückt geworden. „Nach der ganzen Arbeit, die ich hier hineingesteckt habe? Nur eine Frage an dich: Warum bist du Feuerwehrmann geworden?“
Tony hatte keine Ahnung, worauf sie hinauswollte, beschloss jedoch, ihr eine ehrliche Antwort zu geben. „Weil ich meinen Job liebe, und zwar alles, was damit zusammenhängt. Ich bin zwar noch nicht lange dabei, aber ich weiß genau, dass es das Richtige für mich ist. Ich will Feuer löschen, bis ich alt und grau bin.“
„Ist dir vielleicht schon mal der Gedanke gekommen, dass dieser Tearoom die Erfüllung meines persönlichen Traums ist?“
„Hm, das war mir nicht so klar.“
„Ich liebe meine Arbeit. Ich habe schon bei Bailey-Davidson’s den Tearoom geleitet, und es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht. Ich habe dort einfach alles geliebt – das Essen, die Gäste, die schönen Kristalllüster, die leise Musik …“ Julies Blick war ganz verklärt, als sie davon erzählte.
Tony wusste nur ungefähr, warum Julie schließlich von dort weggegangen war.
„Nach der Kündigung hatte ich keine Ahnung, wo ich hin sollte“, fuhr sie fort. „Ich hatte schließlich seit meinem sechzehnten Lebensjahr bei Bailey-Davidson’s gearbeitet. Doch dann starb Onkel Brady, und ich bekam die tolle Chance, meinen eigenen Tearoom zu eröffnen und mir damit einen Traum zu erfüllen. Ich will weder eine Bar noch Geld. Klar, ich muss meiner brillanten Schwester das College finanzieren und meine Eltern im Ruhestand unterstützen, aber ich mache das hier auch für mich selbst – ich will nichts anderes tun.“
Sie schob die Unterlagen wieder zu ihm herüber. „Sag deinen Kollegen, sie können sich ihr Angebot an den Hut stecken. Ich werde auf gar keinen Fall verkaufen.“
Okay, das war nicht gut gelaufen, und Tony hatte es auch nicht anders erwartet. Insgeheim war er sogar erleichtert, dass sie das Angebot ablehnte. Wer weiß, vielleicht hatte sie ja doch Erfolg. Die nötige Leidenschaft dafür brachte sie jedenfalls mit.
„Na schön“, antwortete er. „Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass Belinda’s der tollste Tearoom des ganzen Planeten wird.“
Irritiert sah sie ihn an. Warum dieser plötzliche Stimmungswechsel?
„Ich muss jetzt nach Hause“, sagte Tony und stand auf. „Jas und ich haben noch etwas vor. Willst du uns später Gesellschaft leisten?“
„Das geht leider nicht“, antwortete Julie.
Tony hatte sich inzwischen fast daran gewöhnt, dass sie nie Zeit für ihn hatte. Es hatte keinen Zweck, sie zu drängen oder ihr zu raten, sich etwas Spaß zu gönnen. Sie reagierte immer sehr empfindlich, wenn er so etwas sagte.
Als er gerade zur Tür hinauswollte, rief sie seinen Namen.
„Ja?“
„Ich bin übrigens nicht schwanger“, platzte sie heraus. „Du musst dir also keine Sorgen mehr machen.“
Tony hätte sich eigentlich erleichtert fühlen müssen, aber seltsamerweise war er fast ein bisschen niedergeschlagen. „Hm. Wenn ich mich recht entsinne, warst du doch diejenige, die sich Sorgen gemacht hat, nicht ich.“
Natürlich wollte er kein weiteres ungeplantes Kind, aber die Vorstellung, eins mit Julie zu bekommen, war gar nicht so schlimm. Schließlich war er nicht mehr sechzehn.
Um fünf Uhr am Morgen der Eröffnungsfeier fuhr Julie schweißgebadet und mit klopfendem Herzen aus dem Schlaf hoch. Sie hatte von einem Wasserrohrbruch im Tearoom geträumt.
Obwohl sie nicht an Wahrträume glaubte, lief sie vorsorglich sofort nach unten, um nach dem Rechten zu sehen. Gott sei Dank war alles in Ordnung.
Ihr Herzschlag beruhigte sich wieder. Der neue Koch André war bestimmt gerade auf dem Großmarkt, um Fleisch, Fisch und Gemüse zu holen, während Lisa bei sich zu Hause die Desserts vorbereitete. Irgendwie würde schon alles klappen.
Es musste einfach.
Julie war nämlich inzwischen so pleite, dass sie dringend darauf angewiesen war, Geld zu verdienen. In ein paar Wochen wurde die erste große Rate an die Gläubiger fällig, und André hatte ein Monatsgehalt im Voraus verlangt.
Daher waren die letzten Vorbereitungen auf Hochtouren gelaufen: Julie hatte eine Profiküche einbauen lassen, behördliche Genehmigungen eingeholt, Personal eingestellt, Vorhänge aufgehängt und die Tischdekoration entworfen.
Zu guter Letzt hatte sie noch die Einladungen in die besseren Stadtteile von Dallas verschickt und zur Eröffnung kostenlose Desserts angeboten.
Der erste Tag würde bestimmt hektisch werden, aber im Grunde war alles perfekt
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