Was starke Männer schwach macht
Rülpsern, doch die Bedienung behandelte sie genauso wie alle anderen Gäste auch. Sie mussten also wohl oder übel bestellen. Als ihr Essen ankam, wurden sie schlagartig ruhiger.
„Ich glaube, es schmeckt ihnen“, flüsterte Belinda.
Noch eine Schlacht gewonnen.
„Kommt Mom eigentlich auch?“, fragte Belinda plötzlich. Julie hatte ihre Eltern ausdrücklich eingeladen, obwohl sie mit ihrem Vater sowieso nicht rechnete. Er ging kaum noch aus dem Haus. Aber sie hatte gehofft, dass zumindest ihre Mutter auftauchen würde.
„Nein, sie muss arbeiten“, antwortete Julie.
„Kann sie sich denn nicht wenigstens heute mal freinehmen? Wie oft eröffnen ihre Töchter schon einen Tearoom?“
„Ich glaube nicht, dass sie versteht, was wir hier eigentlich machen“, gab Julie zurück. Das Desinteresse ihrer Mutter schmerzte trotzdem.
„Weil sie es gar nicht erst versucht“, konstatierte Belinda. „Hey, wen haben wir denn hier?“
Tony und Priscilla. Aus irgendeinem Grund war Julie bei Tonys Anblick schlagartig verunsichert. Sie hatte ihn zwar eingeladen, trotzdem hatte sie nicht ernsthaft mit seinem Kommen gerechnet. Warum sollte er riskieren, vor seinen Kollegen als Verräter dazustehen?
Aber er war da. Ein schönes Gefühl, doch gleichzeitig machte seine Gegenwart sie nervös. Was war, wenn die Eröffnung scheiterte?
Julie begrüßte die beiden steif lächelnd. „Eure Leute haben ihr Bestes getan, mir die Eröffnung zu ruinieren.“
„Haben wir auch schon bemerkt. Ignorier sie einfach.“
„Leichter gesagt als getan. Jedes Mal, wenn die Tür aufgeht, zieht der Geruch von gegrilltem Schweinefleisch herein.“
„Ach, diese Typen sind einfach doof“, sagte Priscilla wegwerfend. „Wir sind jedenfalls hier, um dich zu unterstützen.“
Julie fasste sich an die Stirn. „Sorry für meine schlechte Laune“, murmelte sie, nahm zwei Speisekarten und führte die beiden nach hinten, damit sie sich mit eigenen Augen davon überzeugen konnten, womit sie sich hier herumplagen musste.
„Hey, Bud“, begrüßte Priscilla einen der Männer. „Hast du nicht gesagt, dass du diesen Tearoom nie betreten wirst? Und hallo, Charlie. Echt cooles Outfit.“
„Verräter“, murmelte Bud vor sich hin.
Julie setzte die Neuankömmlinge vorsorglich ein paar Tische weiter weg, um eine lautstarke Auseinandersetzung zu vermeiden.
„Ich weiß wirklich nicht, was mit denen los ist“, sagte Priscilla. „Normalerweise sind die beiden ziemlich nett.“
„Inzwischen benehmen sie sich ja einigermaßen“, räumte Julie ein. „Anscheinend haben sie gemerkt, wie gut das Essen ist.“ Sie nahm die Getränkebestellung der beiden auf. „Danke, dass ihr gekommen seid. Werden eure Kollegen euch das nicht übel nehmen?“
„Wir sind eben gute Nachbarn“, meinte Tony.
„Quatsch, du bist nur hier, weil es ein kostenloses Dessert gibt“, zog Priscilla ihn auf. „Ich kann es kaum erwarten, eines der Hauptgerichte auszuprobieren. Stimmt das, dass André Le Croix für dich arbeitet?“
„Ja“, bestätigte Julie. Für ein unglaubliches Gehalt zwar, aber wenn seine Kochkünste den Gästen so gut gefielen wie erhofft, war er jeden Penny wert. „Guten Appetit. Und sagt mir Bescheid, wenn ich noch etwas verbessern kann.“
Julie ging zwischen den Tischen hin und her, um sich mit den Gästen zu unterhalten. Bisher war der große Ansturm ausgeblieben, aber es war ja noch früh.
Eine ältere Dame winkte Julie zu sich heran. „Ja, Mrs Blankenship? Was kann ich für Sie tun?“
„Sie kennen mich?“, fragte die Dame überrascht. „Mir war gar nicht bewusst, dass wir schon das Vergnügen hatten. Obwohl Sie mir irgendwie bekannt vorkommen.“
„Ich habe früher im Lochinvar’s gearbeitet“, erklärte Julie.
„Ach ja, natürlich. Nun ja, ich wurde einfach neugierig, als ich Ihre Einladung erhalten habe. Mir war nur nicht bewusst, dass die Fahrt hierhin so lang ist.“
„Ich freue mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, uns auszuprobieren“, antwortete Julie diplomatisch. „Schmeckt Ihnen das Essen?“
„Das Huhn war ein bisschen trocken, aber sonst ganz passabel.“
Mrs Blankenship hatte sich im Lochinvar’s ständig über das Essen beklagt. „Passabel“ betrachtete Julie daher als Riesenkompliment.
„Ich werde das an meinen Koch weiterleiten.“
Plötzlich eilte eine jüngere Frau auf ihren Tisch zu. „Mutter, du musst sofort kommen. Die Polizei schleppt gerade dein Auto ab!“
9. KAPITEL
„Was?“,
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