Was uns glücklich macht - Roman
Niemals würde sie von einem Stall zum nächsten marschieren, von einem Pferdeturnier zum nächsten, sie wollte ja nicht mal meine Reitstiefel im Haus dulden. »Die haben in der Scheiße gestanden«, sagte sie gern. Sie wurden in einer Plastiktüte in der Garage aufbewahrt, wenn ich sie nicht trug.
Als Marie und ich in Aspen ankamen, wollte ich als Erstes reiten gehen. Am Buttermilk Mountain gab es einen Stall, der auch Reitstunden anbot. Ich schlug Marie vor, es damit zu probieren.
»Ich weiß nicht, Chefin«, sagte sie. »Wenn es keinen Motor hat, weiß ich nicht recht, ob ich es auch fahren kann.«
»Hören Sie«, sagte ich, »erstens, solange wir hier sind, vergessen wir die Chefin. Sie sollen die Zeit hier ebenso genießen wie ich. Zweitens, wenn Sie es noch nie mit einer Transportart versucht haben, die keinen Zündschlüssel braucht, haben Sie einen Tag vor sich, den Sie so schnell nicht vergessen werden.«
»Katherine«, sagte Marie. Sie klang verängstigt. »Ich kann kaum Rad fahren, da kann ich doch unmöglich ein Pferd reiten.« Ich ließ mir das kurz durch den Kopf gehen. »Also gut, treffen wir eine Abmachung. Auf dieser Reise werde ich Ihnen helfen, und Sie werden mir helfen. Bis zu unserer Heimreise werden Sie mit meiner Unterstützung reiten lernen, und Sie helfen mir herauszufinden, was das Leben lebenswert macht. Wenn wir das geschafft haben – wenn Sie reiten können und ich die Frage beantworten kann –, gehen wir nach New York zurück.«
Marie starrte mich an. Schließlich blinzelte sie, blinzelte noch einmal, und dann noch ein paar Mal, ohne eine Miene zu verziehen. Zu guter Letzt meinte sie: »Sie wollen sagen, dass wir hier eine Weile bleiben könnten.«
»Genau.«
Sie wirkte besorgt.
»Was ist denn los?«, fragte ich.
»Und was soll ich Adam sagen?«, fragte sie.
Adam war ihr Verlobter, der ebenfalls unter mir in der Bank arbeitete. So etwas kann man manchmal ausnutzen. »Sagen Sie ihm, ich hätte gesagt, dass ich Sie hier brauche.«
Sie überlegte kurz. »Ich hab nicht viel dabei.«
»Haben Sie die Läden hier gesehen?«
»Katherine«, sagte sie, »ich kann es mir nicht leisten, in Aspen einkaufen zu gehen.«
»Das übernehme ich«, erklärte ich. »Ihre Aufgabe ist es herauszufinden, was das Leben lebenswert macht. Wenn Sie das schaffen, sind alle Ausgaben äußerst gut angelegt.«
»Ist das Ihr Ernst?«, fragte sie.
Ich nahm ihre Hand. »Mein voller Ernst.«
Endlich lächelte Marie. »Ach du Scheiße, Katherine. Das wird der Wahnsinn hier.«
Der Wanderweg zum Cathedral Lake wurde uns sehr ans Herz gelegt. Jeder in der Stadt pries ihn als landschaftlich schöne Strecke an, anstrengend, aber durchaus geeignet für zwei fitte Frauen, die es nicht gewohnt sind, in einer Höhe von zweieinhalbtausend Metern zu wandern.
Am ersten Tag versuchten wir es mit etwas Kürzerem zum Aufwärmen. Wir erklommen einen staubigen Bergpfad namens »Smugglers«, von dem aus wir einen Blick über die Stadt hatten, der umso spektakulärer wurde, je höher wir kamen. Vom Gipfel wanderten wir über einen Pass und eine herrliche Wiese mit Sommerblumen und hüfthohem Gras, dann einen anstrengenden Pfad hinab, der über den sprudelnden Bach Hunter’s Creek führte.
Am zweiten Tag gingen wir in die Berge.
Wir hatten neue Stiefel, neue Rucksäcke, neue Wasserflaschen, neue Sonnenbrillen und waren gut drauf, als wir die Castle Creek Road achtzehn Kilometer hochfuhren, bis wir zu der holprigen, steinigen Abzweigung und dem Startpunkt des Wanderwegs kamen. Wir brachen ein paar Minuten nach sieben auf und einigten uns darauf, dass jeder in seinem eigenen Tempo gehen würde und wir uns am See treffen würden. Die Bergluft war kühl und trocken wie Sandpapier, doch die Sonne auf meinem Gesicht wärmte mich bis in die Zehenspitzen. Als ich den steilen Abschnitt des Aufstiegs erreicht hatte, mit acht Serpentinen kurz hintereinander, brach mir am ganzen Körper der Schweiß aus. Es fühlte sich gut an. Besser als gut, wunderbar. Selbst die Kreuzschmerzen plagten mich nicht mehr, zumindest nicht mehr so sehr wie zuvor. Es ist eine Sache, allein in der Wohnung oder in einem engen, überfüllten Studio zu schwitzen. Etwas völlig anderes ist es, draußen an der frischen Luft zu sein und etwas zu tun , was einen ins Schwitzen geraten lässt.
Nach einer Stunde Wandern war ich verliebt. Verliebt in das volle Grün der Kiefern, das pudrige Weiß auf den Stämmen der Espen, das Hellblau des wolkenlosen Himmels.
Weitere Kostenlose Bücher