Was uns glücklich macht - Roman
an den inneren Anstand der Menschheit, aber du hast den ersten Anstoß gegeben, diese Überzeugung zu erschüttern. Für dich mag das ein kleiner Schritt gewesen sein, aber für mich war es ein riesengroßer.
Dieser Tage verbringe ich kaum Zeit in Greenwich. Meine Mutter lebt noch da und geistert durch die Flure des Hauses, in dem ich aufgewachsen bin. Ehrlich, es fühlt sich eher an, als würde sie in dem Haus spuken als dort wohnen. Meine Mutter ist jemand geworden, den man allzu leicht übersieht. Wenn ich sie besuche, sind das meist keine fröhlichen Zusammenkünfte, und so fahre ich selten hin.
Ich lebe in Manhattan, und das sehr gut, obwohl ich bereit war – und es noch bin –, alles hinzuschmeißen und in die Berge zu ziehen. Ich stand kurz davor und war so aufgeregt.
Dann ging ich zur MRT .
Als Erstes fand ich heraus, dass ich eine Spur klaustrophobisch bin. Ich weiß nicht, wo man das besser erkennen kann, als in einer engen Röhre, wo man wie ein Würstchen hineingepresst liegt, während einen die Wände und dieses schreckliche Dröhnen bedrängen. Das war ziemlich schrecklich. Ich habe mir dauernd vorgesagt, dass es vorübergeht, ich müsste nur atmen und die Augen schließen.
Nach vierzig Minuten Qual im Kernspin bin ich nach Haus gegangen, habe mir eine schöne Flasche Wein gegönnt und darauf gewartet zu erfahren, warum ich solche Rückenschmerzen habe. Ich war vorbereitet auf Nervenschäden, Bandscheibenprobleme, stressbedingte Muskelerschöpfung, Arthrose, sogar ein Knochenbruch an einer Stelle, die ich nicht tasten konnte. Eine mühsame Rehabilitation. Eine Mahnung, es mit dem Training nicht zu übertreiben. Ich trank auf mein Laufband und darauf, wie wenig ich es vermissen würde. Solange ich hin und wieder auf einen Berg steigen könnte, wäre sicher alles in Ordnung mit mir.
Dann klingelte das Telefon, und eine Stimme am anderen Ende sagte: »Katherine, wir müssen uns gleich morgen sehen.«
Komisch an der Sache ist, dass ich die Stimme erst nicht erkannte. Ich dachte, es wäre Phil, mein CEO , dem ich am selben Tag gekündigt hatte. Bei dem bloßen Gedanken kicherte ich ins Telefon. Ich dachte, er rief an, um mir zu sagen, dass er mich brauchte, dass die Bank ohne mich nicht überleben würde, um mich an den zweistelligen Millionenbeitrag zu erinnern, den ich in Form von Aktienoptionen einfach zurückließ, ach, und übrigens, seine Frau habe ihn verlassen (was stimmte), und nun hätte er erkannt, dass er in Wirklichkeit nur mich geliebt habe und mich nun heiraten wolle.
Dann fuhr die Stimme fort: »Ihre MRT hat ein paar Dinge ergeben, die mir Sorgen machen. Wir müssen dafür sorgen, dass Sie einen Onkologen aufsuchen.«
Das war der Moment, in dem ich merkte, dass nicht Phil am Telefon war.
Aber wie ernst die Lage war, das fiel mir nicht so schnell auf. Ich werde fast nie krank, daher kenne ich mich beim Arzt nicht so aus. Wahrscheinlich wusste ich schon, dass Onkologe Krebs bedeutete, aber irgendwie zählte ich eins und eins nicht gerade schnell zusammen.
»Was für Dinge denn, Doc?«, fragte ich, in Gedanken immer noch bei meinen Rückenschmerzen. »Ist es etwas Ernstes?«
»Wir sollten persönlich miteinander reden«, sagte er. »Morgen in der Praxis.«
In diesem Augenblick wusste ich, dass wir nicht von einem Bandscheibenvorfall sprachen. Ich setzte mich und bemerkte, wie meine Knie anfingen zu zittern, packte das Telefon ganz fest. Ich wollte es nicht loslassen, ich wollte auch nicht aufhören zu reden. Sobald ich auflegte, wäre ich allein, und ich wollte wirklich nicht allein sein.
»Wir müssen jetzt reden«, sagte ich und versuchte dabei, mit fester Stimme zu sprechen. »Sie machen mir Angst.«
»Wir sollten lieber von Angesicht zu Angesicht miteinander reden.«
»Okay«, sagte ich. »Mein Chauffeur holt Sie in zehn Minuten ab.«
Kurzes Schweigen am anderen Ende.
»Katherine, ich weiß nicht, ob das geht«, sagte er zögernd.
»Okay, auch recht«, erklärte ich. »Dann brauchen Sie mir jetzt nur zu sagen, dass es sich um nichts weiter Ernstes handelt und dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche. Denn, offen gesagt, um sechs Uhr abends anzurufen, mir eine Scheißangst einzujagen und dann einfach wieder zum Tagesgeschäft überzugehen entspricht nicht meiner Vorstellung von Patientenbetreuung. Wenn das hier ernst ist, Doktor, will ich es wissen, und ich will jetzt sofort darüber sprechen.«
Er hielt noch einmal inne.
»Was für ein Auto ist es denn?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher