Was vom Tode übrig bleibt
Schädlingsbekämpfung sieht es jedoch ganz anders aus. Ich weiß nicht, woran das liegt.
Schließlich sind die meisten Menschen ja sehr froh, wenn wir kommen. Wespennester sind der klassische Fall. Man hat eines im Haus, unterm Dach, auf der Terrasse, in der Garage, da können wir nicht schnell genug kommen. Und kaum haben wir das Nest beseitigt, schreiben Auftrag und Rechnung, heißt es: Ja, ich hab grad kein Geld da. Obwohl wir natürlich schon beim Anruf sagen, was es kostet, das ist ja kein Geheimnis: etwa 85 Euro, später im Jahr, wenn die Nester größer sind, auch etwas mehr. Und dass wir gerne bar und sofort bezahlt werden möchten. Aber trotzdem, erst neulich wieder: kein Geld da. Das ist erstaunlich, weil die Menschen ohne Geld im Haus nicht mal eine Pizza für acht Euro bestellen würden– einen Schädlingsbekämpfer aber schon. Ich weiß auch nicht, was da manchmal in den Leuten vorgeht.
Ich sage dann gern: » Kein Problem, wenn Sie das Geld nicht parat haben, fahr ich Sie rasch zum Bankomat.« In dem Fall sagte der Kunde, schade, er sei Sozialhilfeempfänger. Dann sag ich: » Okay, dann überweisen Sie mir das Geld halt nach und nach, immer mal zehn Euro oder so.« Ich habe bis heute keinen Cent gesehen. Bitte, das soll man nicht falsch verstehen, ich sehe schon ein, dass 85 Euro für Menschen viel Geld sein können, aber wenigstens ein bisschen guten Willen zeigen, mal fünf Euro überweisen, das wäre nett gewesen. Ich hab ja seine Wespen auch mitgenommen.
Oder die Dame, die mitten im Januar nachts wegen ihrer Wespen anrief. Ich frage nach der Barzahlung, ja, sagt sie, alles kein Problem. Ich bin natürlich rausgefahren zu ihr in den Vorort im Münchner Norden; letztlich war dort nichts zu tun. Aber mitten in der Nacht fahre auch ich nicht begeistert durch die Gegend. Bis ich wieder daheim bin, ist es halb eins, ob mit Wespen oder ohne. Eine Rechnung musste ich also trotzdem stellen. Wie’s ans Bezahlen geht, hat sie prompt kein Geld im Haus, gezahlt hat sie letztlich nie. Und sogar Hausverwaltungen sind keine Garantie fürs Bezahltwerden mehr. Für eine Verwaltung habe ich vier Wespennester entfernt, und dann ging die Verwaltung pleite. Also habe ich mich an den Hausbesitzer gewandt, und der sagte mir sehr freundlich, dass ihn meine Rechnungen einen Dreck angingen.
Interessanterweise hat exakt dieser Hausbesitzer ein Jahr später wegen eines Wespennests bei mir angerufen. Ich weiß nicht, was den geritten hat. Vielleicht hat er es auch nur vergessen. Oder er hat gedacht, ich hätte es vergessen. Warum auch nicht: Wir haben 1000 Einsätze pro Jahr, ich bin seit 20 Jahren im Geschäft. Und tatsächlich wird ja mein Gedächtnis oft überschätzt. Mich rufen manchmal Leute an und sagen:
» Hallo, Herr Anders, Sie waren doch neulich bei mir.«
Und ich sage dann jedes Mal:
» Ja, wann denn?«
» Vor zwei Jahren, wissen Sie das nicht mehr?«
» Gute Frau, das mag schon sein, und es ist ja auch schön, dass Sie uns in so angenehmer Erinnerung behalten haben, aber ich fahr 1000 -mal im Jahr raus, da müssen Sie mir noch den einen oder anderen Anhaltspunkt zusätzlich geben.«
Aber unter diesen 20 000 Einsätzen vergesse ich natürlich den nicht, der mir vier Wespennester schuldet. Da hat’s bei mir gleich geklingelt. Wir sind natürlich trotzdem rausgefahren. Und haben ihm das Fünffache berechnet.
Und er hat, das muss man anerkennen, klaglos bezahlt. Recht so, nächstes Mal kostet es dann auch wieder 85 Euro.
Bei den Tatortreinigungen könnte ich vermutlich auf Barzahlung verzichten, denn sobald erst einmal geklärt ist, wer für die Kosten aufkommt, hat es noch nie Schwierigkeiten mit der Bezahlung gegeben. Das ist manchmal eine langwierigere Verhandlungssache, die im Prinzip sogar recht einfach wäre, weil ja bei uns das Verursacherprinzip gilt. Dummerweise ist bei unserer Arbeit der Verursacher im Allgemeinen tot.
Nicht dass es in Deutschland nicht auch für diesen Fall eine Regel gäbe. In Deutschland ist alles geregelt, wenn auch nicht einheitlich– die höchstrichterliche Entscheidung steht da noch aus. Rechtlich sieht die Sache bislang meistens so aus, dass der Verursacher seine Verantwortung vererbt. Wenn er stirbt, dann erben die Erben alles, was er hinterlässt, inklusive seiner Hirnmasse an der Wand oder seiner Eingeweide auf dem Teppichboden. Aber hier trennt sich eben die Theorie von der Praxis: Was hat wohl einer, der vier Wochen auf einem Teppichboden vor sich hin modert, für
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