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Was vom Tode übrig bleibt

Was vom Tode übrig bleibt

Titel: Was vom Tode übrig bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Anders
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weil die Mittel so geheim wären, aber Gift ist nun mal Gift. Wir wissen, wie man die Mittel verantwortungsvoll einsetzt und wie man niemanden schädigt, und manches aus unserem Programm ist für den Menschen sogar völlig unschädlich. Aber es geht halt nicht immer ohne Chemie. Und auch bei der Tatortreinigung kann man auf Insektizide nicht verzichten.
    Es geht ja schon mit dem ersten Schritt los. Wir haben eine lange liegende Leiche mit dem entsprechenden Fliegenbefall. Hunderte, Tausende Fliegen, und die hauen nicht ab, wenn man ein Fenster aufmacht, weil es draußen eben nicht so lecker nach Leiche riecht wie drinnen. Also müssen sie weg, sonst kann man überhaupt nicht arbeiten. Wir wählen meist PPBO FOG 150 , mit dem Nebelautomat, was eigentlich nichts anderes ist als eine Sprühdose, auf die man nicht dauernd selbst drücken muss. Man stellt sie in die Zimmermitte, ein bisschen erhöht, auf einen Stuhl oder eine kleine Trittleiter, drückt drauf und verlässt den Raum. Man kann sagen, dass PPBO FOG 150 durchaus ein umweltfreundliches Insektizid ist.
    Der Wirkstoff darin ist ein Pyrethrum-Extrakt, ein Sud aus Korbblütlern– also Blütenblättern, vor allem von Chrysanthemen, den Zierpflanzen, die viele in ihren Vorgärten haben. Das Wissen um seine Wirksamkeit ist nicht neu, das Mittel hat man schon in der Antike genutzt, sein größter Vorteil war damals aber auch sein größter Nachteil: Pyrethrum ist ein Kurzzeitinsektizid. Es lagert sich nirgends an und baut sich durch Sonnen- und Tageslicht von selbst ab– und deswegen konnten die alten Römer es nicht beliebig lagern und aufheben. Heute kann man es recht gut stabilisieren und den Vorteil nutzen: Von unserem PPBO FOG 150 ist nach spätestens 48 Stunden nichts mehr vorhanden, ohne dass jemand was abwaschen oder neutralisieren hätte müssen. Der Nachteil ist allerdings auch klar: Bei einem Eier legenden Schädling brauchen die Larven zum Schlüpfen meistens mehr als 48 Stunden, und wenn sie rauskommen, ist kein Insektizid mehr da. Aber bei der Tatortreinigung ist das zunächst nicht das Problem, sondern das Ziel ist, ein Umfeld zu bekommen, in dem man arbeiten kann, ohne dass man dauernd den Mund voller Fliegen hat. Und dafür sorgt das Pyrethrum, das einen sogenannten Knock-down-Effekt hat: Es ist ein Kontaktgift, das über die Gelenkspalten der Insekten in deren Körper eindringt, dort die Arbeit der Nervenzellen verhindert und so zu einer sofortigen und kompletten Lähmung der Atmung führt. Die gute Umweltverträglichkeit des Pyrethrum erkennt man auch daran, dass es allein angewendet vermutlich nicht helfen würde, weil es so rasch zerfällt, dass die Insekten sich durchaus noch erholen könnten. Deshalb mischt man Piperonylbutoxid bei, das zwar nicht giftig ist, aber die Wirkungszeit verlängert. Sonst wären die Fliegen nach einer halben Stunde wieder fit.
    Aber Bio hin oder her: Eine toxische Wirkung hat Pyrethrum auch beim Menschen, es kann zu Kribbeln, Hautreizungen, Übelkeit oder auch Krampfanfällen führen. Weshalb wir solche Insektizide ausschließlich mit Atemschutzmaske und Overall versprühen– Pyrethrum ist ein Kontaktgift und wird auch über die Haut aufgenommen. Für uns wäre es natürlich nicht tödlich, aber bei einer entsprechend hohen Dosierung könnte es durchaus zu Vergiftungssymptomen kommen.
    Unsere Vordesinfektion machen wir mit Kohrsolin, einem Mittel, das selbst kein Gift ist, aber natürlich auch ein Gefahrstoff. Kohrsolin ist ein Markenname, die Wirkstoffe darin sind Glutaral und Didecyl- und Alkyl-Dimethylammoniumchlorid– Zutaten, die schnell reagieren. Das Prinzip ist dabei so ähnlich wie bei der Geruchsbekämpfung: So, wie man dort die Moleküle zerlegt, tötet auch ein Desinfektionsmittel Bakterien, Viren oder Pilze– indem es sie zur Reaktion zwingt. Dazu braucht es eine gewisse Einwirkzeit, aber die lässt sich durch die Mischung der Desinfektionslösung steuern. Stärkere Lösung wirkt schneller, schwächere braucht mehr Zeit. Und wenn wir die Wohnung dann nicht komplett bis auf den Estrich ausgeräumt haben, also Teile der Einrichtung erhalten können, müssen wir sie bei lange liegenden Leichen mit einem zweiten Besuch nachbehandeln. Denn man kann (wie bereits erwähnt) nicht gleichzeitig den Geruch und die Viecher beseitigen. Die Geruchsbekämpfer Chlorbleichlauge und Wasserstoffperoxid zersetzen alle Insektizide. Also muss man sich überlegen, was man zuerst macht, und da ist das Beseitigen des Geruchs

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