Was vom Tode übrig bleibt
und mit der Vollmaske eine unglaublich schweißtreibende Aufgabe war. Stück für Stück reichte ich Hardy die langen Bretter hinaus, der sie dann einzeln nach oben schleppte. Dazu kamen kleinere Berge voll Dichtungswolle. Mit jedem schwindenden Brett zeigte sich dabei immer deutlicher, dass die Saunatemperatur Vorzüge und Nachteile gehabt hatte.
Der Vorzug war: Tatsächlich war nichts eingebrannt. Das Fett und die Körperflüssigkeit waren zwischen den Brettern wie von einem Rost auf den Boden darunter getropft, aber sie waren nicht hart geworden– dazu war es nicht heiß genug gewesen. Andererseits bestand durch die Tatsache, dass das Fett mehr oder weniger flüssig geblieben war, der Verdacht, dass es in die Fugen zwischen den Fliesen eingedrungen war. Also überzeugte ich die Vermieterin, dass es den Versuch wert war, ein oder zwei Fliesen vom Boden loszubrechen.
» Ist das wirklich nötig?«, fragte sie. » Ich meine, das sind doch Fliesen, die sind doch dicht!«
» Die Fliesen schon«, sagte ich, » aber die Fugen nicht. Jedenfalls nicht so dicht, wie Sie sich das vorstellen. Und wenn wir Pech haben, müssen wir nächste Woche wiederkommen, weil der Geruch noch da ist.«
Inzwischen hatten sich die Hinweise verdichtet, dass die Fliesen wegmussten: Nachdem wir alle Bretter entfernt hatten, stellten wir fest, dass der Estrich unten an den Bodenleisten handwerklich solide mit Teerpappe abgedichtet worden war. Auch das hatte unterschiedliche Folgen: Es hatte natürlich verhindert, dass das Fett in die Wand eingedrungen war. Zugleich hatte es aber dafür gesorgt, dass immer eine große Fettpfütze auf den Fliesen stehen blieb. Aller Erfahrung nach musste es durch die Fugen gedrungen sein. Wir holten also den Bohrmeißel aus dem Wagen und stemmten mühsam den Boden auf. Schon nach den ersten Terrakottafliesen zeigte sich, dass wir Recht gehabt hatten.
Auf dem Estrich war ein perfektes Muster entstanden. Überall, wo Fliesen gewesen waren, war der Estrich sauber. Die Fugen hingegen hatten um jedes Fliesenrechteck eine dunkle Fettlinie entstehen lassen. Und weil diese Linie breiter war als die Fuge selbst, konnte man sehen, dass der Estrich darunter das Fett löschblattartig aufgesaugt hatte. Wir würden also nach den Fliesen auch noch mindestens eine Schicht Estrich abtragen müssen. Stück für Stück brachen wir die Fliesen aus dem Boden, so lange, bis darunter kein Fett mehr auftauchte. Danach kam der Estrich an die Reihe.
Letzten Endes stellte sich heraus, dass es genügte, die fettigen Linien aus dem Boden zu stemmen. Es war zwar erstaunlich, wie weit die Körperflüssigkeit in nur 48 Stunden gedrungen war, aber es waren eben doch nur 48 Stunden gewesen– wir mussten nicht sehr tief gehen. Zudem war der Boden vergleichsweise dankbar, da hatte ich schon an übleren Estrichen herumgekratzt. Nach sieben Stunden waren wir fertig. Wir sammelten den Schutt in einem Plastiksack ein. Die Wände schrubbten wir noch einmal mit Chlorbleichlauge ab, den Boden sicherheitshalber mit Wasserstoffperoxid. Zum Abschluss reinigten wir den Vorraum, das war’s.
Eigentlich.
Bis der Mieter von der Wohnung unterm Dach kam und sich über Geruchsbelästigung beschwerte. Gut, sein Fenster war über dem Fenster des Saunaraums. Dass es in seiner Wohnung riechen würde, konnten wir uns trotzdem nicht so recht vorstellen. Aber auch damit muss man rechnen. Wenn Menschen erfahren, dass andere Menschen auf ungewöhnliche Weise sterben, reagieren sie natürlich nicht immer völlig rational. Und da kann man sich natürlich hinstellen und sagen: Ach, den Geruch hat der Mieter sich nur eingebildet. Aber so einfach ist es eben nicht– der Geruch ist für den Mieter in diesem Moment absolut real. Und wir selbst konnten es nicht wirklich beurteilen: Wir waren in der Sauna gewesen, einen leichten Geruch konnten wir unmöglich noch herausfiltern. Wir haben dann mit einer Dose Geruchsüberdecker gearbeitet, und das scheint genügt zu haben– jedenfalls sind wir nicht zur Nachbearbeitung gerufen worden.
24. Sterben
Weiß ich mehr über den Tod als andere Menschen? Ein bisschen schon, denke ich. Über meine Arbeit bei der Feuerwehr und als Tatortreiniger bekomme ich zumindest einen ziemlich breit gefächerten Einblick in die Umstände des Todes, und vor allem sehe ich die Seiten, von denen man sonst nur wenig erfährt. Wie malt sich denn der Normalverbraucher seinen Tod aus, wenn er einmal darüber nachdenkt? So, wie er ihn in seinem Umfeld
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