Was vom Tode übrig bleibt
Gespräch am Abend des vorherigen Donnerstags mit dem Hinweis beendet hatte, er ginge jetzt in die Sauna. Dort war er gestorben, entweder an einem Herzanfall oder weil er bewusstlos geworden war, was durch Unterzuckerung passieren kann. Der Saunaofen hatte sich in der gesamten Zeit nicht abgeschaltet. Der Mann lang dort seit 48 Stunden bei schätzungsweise 95 Grad.
Die Tochter der Vermieterin hat dann uns gerufen. Der Tote war natürlich längst abtransportiert worden. Was Hardy und ich beim Eintreffen vorfanden, war vor allem eines: schmierig. Die Terrakottafliesen vor der Sauna waren mit einem dunklen Schmierfilm überzogen. Hier hatte man die Leiche offenbar vor dem Abtransport nochmals abgelegt. Durch die geöffnete Saunatür sahen wir die drei ansteigenden Stufen der Holzbänke. Auf der obersten Stufe lag ein blaues Strandtuch. Auf der Stufe darunter ein verrutschtes grünes Handtuch. Die unbehandelten Holzleisten waren schmierig und teilweise dunkel angelaufen. Die unterste Stufe sah genauso aus, mit einigen Spritzern, die Blut sein konnten. Vor den Stufen lag ein zusammengeknülltes riesiges Strandlaken. Es war weiß, jedenfalls noch an einigen Stellen. Und falls es noch einen Beleg brauchte für das, was passiert war, dann war er mit dem Strandtuch geliefert. Es war speckig, mit Fett vollgesogen wie Butterbrotpapier.
Es ist auch für uns immer wieder verblüffend, wie wenig Unterschied rein verwesungstechnisch zwischen Mensch und Tier besteht. Der Tote hatte offenbar wenig bis nicht geblutet. Aber die Hitze hatte das Fett aus dem Unterhautgewebe gelöst wie bei einem Gänsebraten. Was sich in dem weißen Strandtuch befand, war schieres Fett, das weitergetropft war bis auf den Boden unter den Bänken. Dort hatte es sich an der Wand angesammelt. Das einzig Rätselhafte war die seltsame Position der Leiche. Man konnte sie an den Flecken ablesen, aber sie wirkte seltsam unnatürlich. Bis mir die Sache mit der Niedrigtemperaturmethode einfiel.
Ich bin kein großer Koch, aber ein Bekannter hat mir davon erzählt. Er schwört bei seiner Weihnachtsgans darauf. Sie funktioniert im Wesentlichen so, dass man die Gans erheblich länger im Ofen lässt als üblicherweise, sie dafür aber nicht bei 200 Grad Celsius, sondern stundenlang bei Temperaturen gart, die zwischen 80 und 95 Grad liegen– ziemlich exakt den Temperaturen in einer Sauna. Der Sinn der Sache ist der, dass die Gans dadurch offenbar vollkommen mürbe wird. Während man auf die herkömmliche Art oft einen goldbraunen, aber zähen Vogel produziert, sagt mein Bekannter, zerfiele nach wenigen Stunden die Niedrigtemperatur-Gans in einzelne Teile. Zum Zerlegen bräuchte man häufig kein Messer mehr. Das Fleisch fiele von den Knochen, Keule und Flügel lösten sich aus den Gelenkpfannen praktisch ganz von selbst. Exakt das war mit dem 52 -Jährigen nach 48 Stunden geschehen. Die Dauerhitze zerkocht alles, was dem Körper Halt verleiht. Man konnte annehmen, dass die Bestatter mit dem weißen Handtuch versucht hatten, möglichst viel von der Leiche in einem Schwung auf einmal nach außen zu bringen. Anschließend hatten sie das Handtuch zusammengeknüllt und in der verschlossenen Sauna entsorgt, damit die Hausbewohner nicht als Erstes beim Betreten des Raumes auf das fettgetränkte Tuch stießen.
Wir schlüpften in unsere Overalls. Der Geruch war erstaunlich erträglich. Er hatte sich mit dem typischen Saunageruch vermischt, Schweiß, Holz, Feuchtigkeit, dazu die ätherischen Öle, die man manchmal in den Aufguss rührt. Es war nicht angenehm, aber nachdem ich gehört hatte, was passiert war, hatte ich Schlimmeres erwartet. Wir desinfizierten zuerst den Vorraum. Dann entfernten wir mit Chlorbleichlauge den Lagerungsfleck, um das Fett nicht ständig mit den Schuhen im ganzen Haus zu verteilen. Es ging erfreulich problemlos. Anschließend widmeten wir uns der Sauna selbst. Wir desinfizierten sie gründlich mit Kohrsolin, bevor wir zunächst begannen, die Handtücher einzusammeln und in Plastiksäcken zu entsorgen. Dann begannen wir die Sauna abzubauen.
Es war eine üble Arbeit. Ich bin kein Saunafan, durch diesen Fall sogar noch weniger, daher fehlt mir der Vergleich, ob und wie man Saunas zusammenschraubt. Ich hätte jedenfalls viel für Schrauben gegeben, aber aus mir unerfindlichen Gründen war diese Sauna zusammengenagelt worden, und das sehr liebevoll. Das bedeutete, dass ich mit dem Nageleisen die Bretter einzeln auseinanderhebeln musste, was im Overall
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