Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was vom Tode übrig bleibt

Was vom Tode übrig bleibt

Titel: Was vom Tode übrig bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Anders
Vom Netzwerk:
immer Rattengifte der ersten Generation im Umlauf, die früher im Supermarkt verkauft worden sind. Die Bauern haben diese Gifte eingekauft wie Schweinefutter und entsprechend bedenkenlos haben sie es auch massenweise eingesetzt, ohne zu wissen, dass man hier radikal vorgehen muss. Wenn man mit so etwas anfängt, muss man die gesamte Population erwischen, wenn man zu früh wieder aufhört, dann züchtet man nur Resistenzen. Ein weiteres Problem war, dass die Tiere Mittel der ersten Generation zweimal fressen mussten, damit sie wirkten– weshalb es doppelt ungünstig war, wenn man zu früh das Ausbringen eingestellt hat. Die Folge ist, dass man heute die Mittel der ersten Generation überhaupt nicht mehr auszulegen braucht, das kann man sich sparen, die Ratten fressen es inzwischen wie Kartoffelchips. Sie werden darum auch in meiner Firma kaum ein Mittel finden, das älter ist als drei Jahre, mit Ausnahme der Mäuseschlagfallen, die heute noch so zuverlässig funktionieren wie in 60 Jahre alten Tom-und-Jerry-Trickfilmen.

23. Auf kleiner Flamme
    Niemand weiß genau, was nach dem Tod kommt– aber selbst vielen Menschen, die felsenfest vom großen Nichts nach dem Leben ausgehen, ist der Gedanke unangenehm, nach ihrem Ende lange irgendwo herumzuliegen. Wer das verhindern möchte, hat im Grunde nicht viele Alternativen: Er braucht Familie und Freunde, braucht soziale Kontakte, selbst wenn es sich nicht um Freunde handelt– wer täglich morgens bei seinem Bäcker zwei Brötchen kauft, hat eine realistische Chance, dass der Bäcker stutzig wird, wenn man zwei Tage lang nicht erscheint. Übrigens kann man, wenn man Stammkunde und älter ist, durchaus dem Bäcker seines Vertrauens sagen: » Bitte rufen Sie hier und da an, wenn ich mal drei Tage nicht kommen sollte.« Insofern hatte der 52 -Jährige eigentlich alles richtig gemacht.
    Er hat eine Einliegerwohnung gemietet, im Souterrain eines Einfamilienhauses, bei einer alleinstehenden Frau. Sie wohnt im Erdgeschoss, im Obergeschoss lebt ein weiterer Mieter. Und das Haus war ideal für den 52 -Jährigen. Er war Wissenschaftler, Mathematiker oder Physiker, er lebte zurückgezogen und arbeitete viel von zu Hause aus. Er war ein wenig verschroben, ein wenig kauzig und letzten Endes prädestiniert für ein Leben in einer wissenschaftlichen Wohnhöhle, und in einem großen Hochhaus hätte ihn wohl nie ein Mensch zu Gesicht bekommen. Aber in diesem Häuschen kannten sich eben alle Parteien und noch besser: Sie verstanden sich gut. Auch wenn man die anderen nicht jeden Tag sah, wusste man doch ungefähr, wie es ihnen ging, weil der Briefkasten geleert war oder man jemanden den ganzen Tag niesen hörte. Gelegentlich begegnete man sich auf dem Weg zur Sauna im Keller, die alle mitbenutzen durften. Und einmal pro Woche wurde gemeinsam gegessen. Jeder war mit Kochen dran, samstags war der feste Termin, und die Gastgeberrolle wechselte sich ab. An dem Samstag, als sich die Runde das letzte Mal traf, kochte die Vermieterin. Es gab Ente. Und alle waren da, nur einer nicht: der 52 -Jährige aus dem Souterrain.
    Verdächtig war das nicht, nur ein bisschen unhöflich. Schließlich hatte die Vermieterin an den Abenden zuvor bei ihm Licht gesehen, sie hatte seinen Fernseher gehört, er war also zweifellos zu Hause. Daher ging sie nach unten, um ihn zu holen. Sie klingelte an seiner Tür, aber er öffnete nicht. Der Fernseher lief noch immer, das Licht schien unter der Tür hindurch, er musste also da sein. Gut möglich, dass er kurz nach draußen gegangen war. Oder in die Sauna und gerade duschte. Das ließ sich ja leicht überprüfen: War die Sauna noch warm, hatte er sie gerade benutzt und es konnte nur noch wenige Minuten dauern, bis er mit nassen Haaren zum Essen kommen würde. Also ging die Vermieterin hinüber in den großen gefliesten Raum, in den die Sauna eingebaut war. Als Erstes nahm sie sich vor, ihren Mieter daran zu erinnern, dass er doch die Sauna ausschalten sollte, sobald er fertig war– sie verbraucht schließlich Strom. Dann sah sie durch das quadratische Glasfenster in der Holztür und rief den Notarzt.
    Ich weiß nicht, was sie durch das Glasfenster gesehen hat. Sie wollte verständlicherweise nicht darüber reden. Fest steht, dass sie heute wohl nicht mehr den Notarzt rufen würde. Es war auch für Laien deutlich zu sehen, dass ein Notarzt wenig tun konnte. Der Mann lag nicht erst seit zehn Minuten da. Die Rekonstruktion seiner Telefonate ergab, dass er sein letztes

Weitere Kostenlose Bücher