Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
Vom Netzwerk:
schnellen Bewegung
ins Gemächt.
    »Charlotta!« ruft Moritz entsetzt, klettert mir nach und zerrt mich
am Fuß von dem Gerüst herunter. »Wir sind in einem katholischen Land!« Ich
lache mich schlapp. Ein paar Italiener gucken böse. War doch nur ein Scherz,
regt euch nicht auf!
    »Ist doch sowieso nicht der echte«, beruhige ich Moritz. »Der steht
in der Galleria dell’Accademia.«
    »Was du nicht alles weißt«, stellt er fest, nimmt meine Hand und
sieht zu, daß wir hier wegkommen, bevor sich das erboste Volk über uns
hermacht. »Respektlos ist es trotzdem.«
    »Findest du?« Ich sehe ihn unschuldig an. »Hatte bis eben nicht das
Gefühl, daß du so etwas für respektlos hältst.« Moritz läuft rot an. Wie
niedlich, mein Süßer ist verklemmt! Trotzdem sollte ich mich etwas
zusammenreißen, so etwas ist er von mir offenbar nicht gewohnt. Wie langweilig.
    »Komm jetzt«, sagt er und schleift mich Richtung Palazzo Vecchio,
»du wolltest doch in die Uffizien.«
    Merkwürdig, wie eilig er es plötzlich hat! Im Stechschritt haste ich
hinter ihm her, ich scheine ihm richtig peinlich zu sein. Kurz bevor wir das
Ende der langen Schlange vor dem Museum erreichen, bleibe ich stehen und lächle
meinen Süßen an. »Ja«, sage ich.
    »Ja, was?«
    »Du hast so eine gute Figur wie Michelangelos David. Wenn nicht
sogar eine bessere.« Da lacht mein süßer, eitler Schatz wieder. So einfach ist
das.
    In den Uffizien herrscht ein unglaubliches Gedränge.
Schätzungsweise zweihundert Schulklassen mit gelangweilten Jugendlichen
schieben sich vor Moritz und mir durch die Gänge und lassen sich von ihren
Lehrern vollkommen unbeeindruckt erklären, was hier für Schätze liegen.
Eigentlich ganz gut, denke ich, während wir ihnen folgen, daß das damals mit
der Studienfahrt nicht geklappt hat. Jedenfalls, was meine aktive Erinnerung
betrifft, auch wenn ich angeblich dabei war. Sonst wäre ich hier sicher genauso
desinteressiert durch die Gänge geschlappt. Heute weiß ich das alles viel mehr
zu schätzen. Staunend gehen wir durch die rote »Tribuna«, die mit ihrer perlmuttfarbenen
Kuppel den Kosmos darstellen soll, betrachten im nächsten Raum, wie Perseus
Andromeda befreit, landen schließlich bei Raffaels Madonna und Tizians
berühmter Venus von Urbino.
    »Ich will unbedingt noch die andere Venus sehen«, sage ich zu Moritz,
der in Anbetracht all dieser »alten Schinken«, wie er es nennt, ungeduldig
wird. Aber dieses eine Bild will ich noch sehen.
    Wir laufen ein ganzes Stück zurück und schlagen uns durch die Menge,
die den Eingang zu den Räumen zehn bis vierzehn blockiert. Nicht ganz ohne
Blessuren (wahre Kunst hat ihren Preis) kämpfen wir uns den Weg frei, bis wir
schließlich direkt vor ihr stehen: Sandro Botticellis »Geburt der Venus«.
    »Ist sie nicht wunderschön?« frage ich und betrachte ehrfurchtsvoll
das Bild der jungen Frau, die nackt und nur von ihren roten, langen Haaren
bedeckt in einer offenen Muschel steht. Es kommt mir vor, als würde sie mir
verschwörerisch zulächeln. Ja, Charly, nur du und ich kennen
dein Geheimnis. Und Elisa. Aber die ist ja nicht da.
    »Weiß nicht.« Moritz legt den Kopf schräg und kneift die Augen
zusammen, dabei ist das Bild nun wirklich groß genug. »Finde die ein bißchen
pummelig um die Hüften. Und auf rötliche Haare stand ich auch noch nie.« Pummelig? Rötliche Haare? Wir stehen hier vor einem einmaligen
Meisterwerk aus dem 15.   Jahrhundert, und mein Angetrauter tut so, als würden
wir über den Centerfold aus dem aktuellen Playboy diskutieren!
    »Vergiß es«, meine ich und gehe frustriert weiter. Aber noch etwas
nagt in diesem Moment an mir. Vielleicht sogar mehr als die Tatsache, daß
Moritz offensichtlich ein Kulturbanause ist. Bis gestern war ich auch nicht
schlanker als Botticellis Venus. Und wenn ich weiter so esse und trinke, wird’s
bald auch wieder so sein. Und meine Haarfarbe? Nun ja. Sollte ich mir Gedanken
machen?
    »Hast du was?« Mitten auf dem Ponte Vecchio kommt Moritz mir mit
dieser Frage. Wir sind nicht mal achtundvierzig Stunden kirchlich getraut, und
schon haben wir die gute, alte Hast-du-was-Frage. Toll.
    »Nein, ich hab nichts.« Gibt es eine andere Antwort darauf?
    »Aber du wirkst so, als hättest du was.«
    »Ich hab aber nichts«, fahre ich ihn an.
    »Ist ja schon gut.« Moritz hebt abwehrend seine Hände. Wir gehen
schweigend weiter. Aber in meinem Kopf ist jetzt natürlich wilde Diskussion
angesagt.
    »Was liebst du eigentlich an mir?«

Weitere Kostenlose Bücher