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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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weil man die bis dahin weiter Vorangeschrittenen gebremst hat, sondern weil das Aufholen von Defiziten oft grundsätzlich den meisten Menschen schneller gelingt als der Neuerwerb von Wissen und Fähigkeiten. Es ist überhaupt kein Problem, eine heterogene Klasse zu unterrichten.
    Natürlich gibt es Unterschiede in dieser zweiten Klasse: Steffi schafft wie die meisten Kinder in den zwanzig Minuten Übungszeit acht Aufgaben, Jörg nur sieben, Andreas sogar zehn. Paula liest schon mit schöner Betonung, Judith noch etwas langsam, aber es gibt kein Kind mehr, das nicht sinnerfassend lesen kann. Die Inhalte des Heimat- und Sachunterrichts hat
jedes Kind verstanden, auch wenn Clara noch ein paar Wochen lang den Stunden- mit dem Minutenzeiger verwechseln wird. Ja, es gibt Unterschiede. Aber die sind nicht so groß, als dass sie das gemeinsame Lernen auch nur ansatzweise beeinträchtigen würden. Aber selbst wenn ein Kind in der Klasse wäre, das nicht an die Leistungen der anderen anschließen könnte, vielleicht weil es behindert ist oder weil es aus schwierigen Verhältnissen kommt und innerlich anderswo gebunden ist, würde das dem gemeinsamen Unterricht nicht abträglich sein. In einem wirklich guten Unterricht wird Lernen so arrangiert, dass ein großer Lernzuwachs für alle Kinder möglich ist; in den freien Phasen ist Raum, um auf individuellen Lernfeldern zu üben, zu sichern und voranzuschreiten. Die Kinder sind alle motiviert, sie sind alle fröhlich und leben in einer guten Gemeinschaft. Jedes Kind hat das Gefühl, gut zu lernen und fähig zu sein. Es setzt seine Leistung nicht in Bezug zu anderen. „Ich kann rechnen“, sagt auch Jörg und freut sich über die sieben richtigen Aufgaben, egal, ob die anderen in der gleichen Zeit acht oder sogar zehn Aufgaben gerechnet haben. Die Gründe, warum Kinder nicht eine absolut gleiche Leistungshöhe zeigen, liegen meist offen: Sarah ist noch sehr verträumt, Bastian noch schüchtern und unsicher, Max braucht einfach noch mehr Zeit, um die Aufgabenstellung zu lesen, José ist ein kleiner Chaot und hat noch nicht gelernt, ein Arbeitsblatt effektiv zu bearbeiten, Gabriel hudelt und verrechnet sich dadurch mehrfach, bei Manuel wurde gerade eine Sehschwäche gefunden, bis er die notwendige Therapie durchlaufen hat, werden ein bis zwei Jahre vergehen. Aber man sieht ganz deutlich, dass keines dieser Kinder dumm ist, es sind andere Gründe, aus denen die relativ kleinen Unterschiede rühren.
    Gründe, die man im Laufe der Zeit angehen könnte, wenn nicht zunehmend früher ein fataler Aspekt Einzug hielte:.
    Als man vor Jahren in der ersten und zweiten Klasse noch Lernzielkontrollen schrieb, ging es darum, von Zeit zu Zeit zu prüfen, ob alle Kinder die Lernziele verstanden hatten. Es war also nicht wesentlich, ob sie zur Aufgabenlösung nun zwei Minuten mehr oder weniger Zeit benötigten als die anderen
Kinder in der Klasse. Und es ging auch nicht darum, irgendwelche Begriffe auswendig zu kennen. Es war wesentlich, ob die Kinder die zugrunde liegenden Prinzipien verstanden und die geübten Fertigkeiten erworben hatten und dass sie die angewandten Arbeitstechniken umsetzen konnten, damit es dann gemeinsam weitergehen konnte.
    Mit den Noten in den Proben ist dies ganz anders. Es geht ja nun darum, herauszufinden, wer die Anforderungen schon im besonderen Maße erfüllt und wer eben nur im Allgemeinen. Jetzt plötzlich ist entscheidend, ob eine Aufgabe mehr oder eine weniger gerechnet wurde, jetzt plötzlich bekommt der Zeitaspekt eine so große Bedeutung, wie er sie nicht haben dürfte. Jetzt plötzlich geht es um die Verteilung auf die verschiedenen Notenplätze — denn nur Einser darf es ja nicht geben, die Probe muss so gestellt sein, dass aufgrund ausreichender Transferaufgaben deutlich wird, wer zu besonderer Leistung fähig ist. Und alles basiert darauf, dass diejenigen eine Vier bekommen, deren Leistungen die Anforderungen noch erfüllen, sodass sich die Ergebnisse der Kinder dann in der Regel tatsächlich auf alle Notenstufen verteilen und der erwartete Notendurchschnitt erzielt wird. So gibt es dann im Prinzip drei bis fünf Sitzplätze mit der Note „Eins”, drei bis acht Sitzplätze mit der Note „Zwei”, fünf bis zehn Sitzplätze für die Note „Drei”, fünf bis acht Sitzplätze mit der Note „Vier”, etwa

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